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Martialisches für Aug und Ohr

FESTSPIELE / BOSTON SYMPHONY ORCHESTRA (1)

25/08/15 Instruktiv, wenn man unmittelbar nach Mahlers „Neunter“ die „Sechste“ zu hören bekommt. Hoch interessant schon deshalb, weil nach dem durch und durch „Wiener“ Bild der Philharmoniker unter Barenboim die ungleich radikalere „Sechste“ vom Boston Symphony Orchestra ein passend-anderes Klanggewand bekommen hat.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Lette Andris Nelsons ist seit einem Jahr Leiter dieses amerikanischen Traditionsorchesters (des zweitältesten auf dem Kontinent, 1881 gegründet). Der 36jährige ist einer jener Dirigenten, der imstande wäre, auch durch eine Glaswand einen Eindruck von Musik zu vermitteln. Wie er aufs Orchester einschlägt, macht was her, gerade in Mahlers „Sechster“. Diese Symphonie hebt ja mit einem geradezu martialischen Marsch-Epos an und Nelsons, der mit leicht gebeugten Knien und geneigtem Oberkörper wie eine gespannte Sprungfeder wirkt, gibt schier jeder Viertelnote mit ausgreifender Bewegung einen Akzent.

Schlagtechnisch ist Andris Nelsons wirklich gut drauf und er hat noch ausreichend Kapazitäten, über die Wirkung seiner Gesten backside nachzudenken. Wie oft (und warum wohl) der Dirigentenstab von der rechten in die linke Hand wandert? Die Choreographie hat jedenfalls was. Die Frage, ob all das dem Orchester und vor allem der Musik unmittelbar weiter hilft, stellte sich doch öfters am Montag (24.8.) im Großen Festspielhaus. Das Boston Symphony Orchestra bringt ohnedies nicht wenig Power mit. Scharf und schneidig kamen also die Marschrhythmen, mit martialischer Unerbittlichkeit. Der lyrische Abschnitt dann, quasi an der dünnen Höhenluft, hing recht spannungsarm in dieser und im zarten Kuhglocken-Gebimmel aus dem Hintergrund. Ein Orchester vorwärts treiben und Spannung durchhalten sind doch zweierlei Dinge.

Das Boston Symphony Orchestra hat seinen eigenen Klang. Der kann in den Streichern von an Vibrato armer Härte bis zu einem fast jovialen Grad an Süffigkeit reichen (die sich freilich elementar anders anfühlt als jene der Wiener Philharmoniker). Das war in der Entwicklung des langsamen Satzes gut, wenn auch nicht immer plausibel zu verfolgen. Im Scherzo war es aufschlussreich, wie hart die Holzbläser artikulierten. Das hatte so gar nichts mit der österreichischen Ländler-Seligkeit zu tun. Dass die Melodien geradezu einbetoniert wirkten, passt aber recht gut gerade zur „Sechsten“, in der sich Mahler in expressive Regionen wie sonst kaum vorwagte: Die Uraufführung der „Sechsten“ war 1906, ein Jahr nach jener der „Salome“...

Die Vorzüge des Boston Symphony Orchestra kamen im hoch komplexen Finalsatz so recht zum Zug, wo Andris Nelsons bei aller expressiver Erhitzung deutlich mehr Lyrismen zuließ als zuvor. Die Freude am genau umgesetzten Klang – die Kontrabasstuba mit Harfen-„Schnepfer“ zum Tremolo der Celli sei nur als Apercu genannt – war spürbar. Der Hammer: den hat man schon wuchtiger gehört, hier war das Unding befilzt.

Zuletzt noch eine finale Show des Dirigenten: Ewig lang ließ er die Arme nicht sinken, hielt so das beifallwillige Publikum in Schach. Aber ehrlich gesagt: So enorm war die Spannung gar nicht, die da hätte nachschwingen sollen...

Heute Dienstag (25.8., 20.30 Uhr) spielt das Boston Symphony Orchetsra Strauss' „Don Quixote“ und die Zehnte Symphonie von Schostakowitsch. Das „Thema ritterlichen Charakters“ stimmt der Cellist Yo Yo Ma an. – www.salzburgerfestspiele.at
Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borggreve

 

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