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Panoramen der Gefühle

FESTSPIELE / BELCEA QUARTETT

26/08/15 Beethovens Opus 131 und das Schubert-Streichquintett – fürwahr ein olympisches Konzertprogramm. Zwei der größten und Interpreten wie Publikum extrem fordernden Kammermusikstücke überhaupt nacheinander, das muss man sich trauen. Das Belcea Quartett traut sich das und gewinnt mit Schubert.

Von Gottfried Franz Kasparek

Nicht, dass Beethovens cis-Moll-Quartett dem Quartett Mühe bereitet hätte. Dazu sind Primgeigerin Corina Belcea, Geiger Axel Schacher, Bratscher Krzysztof Chorzelski und Cellist Antoine Lederlin einfach zu perfekt. Das von Studierenden 1994 in London gegründete, wahrhaft europäische, in den Positionen Zweite Geige und Cello neu besetzte Ensemble spielt das Schwerste mit größter technischer Selbstverständlichkeit. Die wirklich „eigensinnige“ Quartett-Dramaturgie des späten Beethoven wird aufs Beste dargestellt. Wie eine symphonische Phantasie für vier Instrumente, in sieben pausenlosen Abschnitten, zieht ein vielschichtig nuanciertes Panorama der Gefühle vorüber, kulminierend in der farbig leuchtenden Brillanz des Presto-Satzes, feinfühlig ausgehorcht in den langsamen Teilen. Und dennoch bleibt ein unerfüllter Rest, klingt manches Detail zu akkurat, zu abgeschliffen, zu wenig expressiv, mitunter sogar zu beiläufig. Das ist natürlich Jammern auf höchstem Niveau und es ist überhaupt die Frage, wie oft wahre Sternstunden bei einem derart komplexen, heute noch aufregend experimentell anmutenden, an sich oft vor allem den Intellekt und weniger die Emotion ansprechenden Stück in der Realität eines Konzertabends möglich sind.

Nach der Pause kommt am Zweiten Cello Valentin Erben dazu, Gründungsmitglied des schon jetzt legendären Alban Berg Quartetts, bei dem die Belcea-Mitglieder studiert haben, ein unglaubliche 70 Jahre jung gebliebener Musiker. Und spätestens im zweiten Satz des Schubert-Quintetts ereignet sich dann doch eine Sternstunde. Alle immer wieder zutiefst berührenden Wunder dieser die Grenzen der Form von innen sprengenden Musik, alle Verzauberung mit unendlicher und unendlich wehmütiger Melodie, alle Verstörung durch die harten Kontraste und explosiven Abgründe mitten im instrumentalen Gesang werden zum hinreißenden, beglückenden, gleichzeitig aufwühlenden Ereignis. Zum emotionalen Erlebnis. Dies ist Musik, welche die Seele, welche das Innerste berührt. Hier wird das musizierende Quintett auf dem Podium nicht nur zum brillanten Ensemble, sondern im Wortsinn zu einem lebendigen „Klangkörper“.

Man könnte nun die Fertigkeiten der fünf im Einklang, aber ebenso im klingenden Gespräch und im gefühlvollen Austausch musizierenden Menschen analysieren, man könnte sich über die harmonischen Kühnheiten Schuberts trefflich auslassen – aber wesentlich und bleibend ist der Eindruck eines klingenden Meister-Freskos, dessen Oberflächen ebenso leuchten wie in der Perspektive und am Grund der Farben Essentielles berührt wird. Großer Jubel und gottlob keine Zugabe.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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