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Mit Schönberg seit 57 Jahren per Du

FESTSPIELE / ISRAEL PHILHARMONIC ORCHESTRA / MEHTA

28/08/15 Innigst vertraut: Das kann man wohl sagen,wenn ein Musiker 57 Jahre nach der Diplomprüfung in Wien eines seiner damaligen Vorzeigestücke dirigiert: Für Zubin Mehta war Schönbergs Erste Kammersymphonie ein Lebenswegbegleiter.

Von Reinhard Kriechbaum

Er hat sie quasi im kleinen Finger, weiß um wirklich alle Fein-Mechanismen der Instrumentation und vor allem um Schönbergs musikhistorisches Bewusstsein. Drum trifft Zubin Mehta genau den Schmerzpunkt dieses Werks, das an einer Schnittlinie steht, wo es für den Komponisten ums Loslösen vom Alten ging: Das aufgeregte Vibrieren spürt man in seiner mit ruhigen Gesten angeleiteten Interpretation durch und durch, aber eben genau so das sich rückgebunden Fühlen.

Zubin Mehta lässt es zu, dass im langsamen Abschnitt die wundersame Flageolett-Melodie, die Kontrabass und Violoncello zu den Holzbläsern schicken, auch so recht gefühlvoll daher kommt. Und wie die Erste Kammersymphonie schließlich in ein schier bukolisches Finale tänzelt und tiriliert: Das muss man so urwüchsig musikantisch und doch strukturbewusst erstmal hinkriegen.

Die „Verklärte Nacht“ davor: Da hielt Zubin Mehta die Streicher des Israel Philharmonic Orchestra zu äußerst akkurater Tongebung an, setzte nicht auf klangliche Opulenz sondern auf strukturelle Durchhörbarkeit, indem durch teilweisen Verzicht auf Vibrato und Striche nahe am Steg der Klang deutlich herber, ja rau gemacht wurde. Gerade bei diesem zurückhaltenden gestalterischen Zugang beginnt man freilich darüber nachzudenken, ob die ursprüngliche Sextett-Fassung nicht doch die „richtigere“ wäre.Vielleicht hat Schönberg ja gerade deshalb die Orchester-Fassung gemacht, um den intensiven Streicher-Rausch auszukosten?

Im Programmheft wird Schönberg mit zwei hübschen Sagern zitiert: Seine „Verklärte Nacht“ beginne (in den USA seiner Exil-Jahre) „zu einer Art Tschaikowsky-Stück zu werden“. Und der alte Schönberg soll geäußert haben, er wünsche sich nichts sehnlicher, „als dass man mich für eine bessere Art von Tschaikowsky hält“. Unterstellen wir ihm Ironie: An die üppige Melancholie in den Rahmensätzen der „Pathetique“, wie sie Zubin Mehta (der derzeit nach einer Knieoperation sitzend dirigiert) am Donnerstag zu später Stunde im Großen Festspielhaus ausmalen ließ, wird Schönberg eher nicht gedacht haben. Dem Trübsalblasen in Cinemascope stellte Mehta jedenfalls den tänzerischen Fünfvierteltakt-Satz als fein abgeschmeckte Patisserie gegenüber. Und den Marsch ließ er zum urwüchsigen Knaller steigern, so dass fast zwangsläufig Zwischenbeifall aufbrandete. Am Ende dafür beinah zögerlicher Einsatz mit dem Applaus: Das Publikum der letzten Festspielwoche ist wohl nicht ganz auf der professionellen Höhe der prominenten Gastorchester, die da Abend für Abend kommen.

Hörfunkübertragung am kommenden Sonntag (30.8.) um 11.03 Uhr in Ö1
Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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