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Das gesungene Wort im Mittelpunkt

HINTERGRUND / FESTSPIELE / OUVERTÜRE SPIRITUELLE

22/07/16 Die geistliche Musik der ostkirchlichen Christen wird in diesem Festspielsommer während der Ouverture spirituelle beleuchtet. Es sei erstaunlich, bemerkt der Salzburger Hochschulprofessor Dietmar W. Winkler, wie fremd diese Welt oft wirke, obwohl sie doch ein Teil Europas sei.

Von Anne Zeuner

Das liege vor allem an der „verwirrenden Vielfalt“ der Ausprägungen der Orthodoxie, erklärt Dietmar Winkler. Das, was man von den Ostkirchen am ehesten kenne, seien etwa die griechische oder die russisch-orthodoxe Kirche. Dietmar Winkler ist Professor für Patristik und Kirchengeschichte und unterstützte Konzertchef Florian Wiegand beratend bei der Programmierung des Ostkirchen-Schwerpunktes in der Ouverture spirituelle.

Es sei in jedem Jahr wieder eine große Herausforderung, die besonderen Schwerpunkte für die Ouverture spirituelle zu entwerfen: „Für mich ist es oft eine Reise in eine unbekannte Welt, eine Forschungsreise, wenn man so will“, sagt der Konzertchef der Festspiele. „Die meisten von uns sind ja in der Regel mit der westlichen Musik aufgewachsen.“

Am schwierigsten, so sagt Florian Wiegand, sei es gewesen, Kontakte zu den Chören herzustellen. Dabei half ihm Prof. Winkler ebenso wie bei der Auswahl der Chöre. „Wir wollen mit den fünf Konzerten zu den Ostkirchen einen möglichst guten Überblick über die enorme musikalische Vielfalt geben.“ 

Dennoch gebe es etwas, das alle Richtungen eine: Die menschliche Stimme steht im Mittelpunkt der Musik. Nur das rationale Wesen, der Mensch, vermag es, das Lob Gottes in der Musik auszudrücken und die Spiritualität zu preisen. „In einigen Ostkirchen, wie etwa jenen Ägyptens und Äthiopiens, werden vereinzelt Instrumente verwendet, aber auch nur jene, die in den Psalmen erwähnt werden, wie Zimbeln und Harfe“, erklärt Dietmar Winkler. Dass nur die menschliche Stimme Gott loben könne, sei aber auch aus unserer kulturellen Tradition heraus nachvollziehbar, so Florian Wiegand: „Nichts berührt uns so sehr wie eine menschliche Stimme.“

Auch in den großen Oratorien, die während der Ouverture spirituelle den ostchristlichen Werken entgegengesetzt werden, gehe es um das Wort, in Haydns „Schöpfung“ ebenso wie in Händels „Belshazzar“. Am Ende steht die Uraufführung des Oratoriums „Balbulum“ von Péter Eötvös. „Der Text stammt von Péter Esterházy, der in der vergangenen Woche leider von uns gegangen ist“, sagt der Konzertchef. „Es ist unglaublich, welch aktuelle politische Bezüge in diesem Text enthalten sind, den er 2010/11 geschrieben hat.“ So komme etwa die Zeile vor: „Uns ist nichts mehr geblieben. Wir brauchen Grenzen. Wir ziehen überall Zäune, wir umzäunen sogar die Zäune…“.

Stichwort Grenzen: Warum sind jene auch zwischen christlichen Kirchen doch noch so hoch, dass sich der Kirchenführer der Orthodoxen und der Papst in Kuba treffen müssen? Man dürfe nicht vergessen, erklärt der Theologe und Ostkirchen-Spezialist Winkler, „dass über Jahrhunderte lang gar nicht kommuniziert wurde“.

Bei den Salzburger Festspielen werden nun Ensembles aus Russland, Armenien, Griechenland, aus dem Libanon, Ägypten und Äthiopien auftreten. Das zu organisieren sei gar nicht so leicht gewesen, sagt Florian Wiegand. So sei es für den koptisch-orthodoxen Chor aus Ägypten schwierig gewesen, Visa für alle Mitglieder zu bekommen. „Zwei der jungen Choristen haben am Ende leider kein Visum bekommen, weil sie unter anderem keine Festanstellung nachweisen konnten und nicht verheiratet sind. Wir bedauern sehr, dass bei dieser Entscheidung der Botschaft offensichtlich nicht der künstlerische Aspekt der Einladung, sondern die politische Situation im Vordergrund stand“, berichtet Florian Wiegand. Auch hätte der Konzertchef gerne einen syrischen Chor im Programm gehabt, er habe sogar einen ehemaligen Chorleiter aus Aleppo ausfindig machen können, der nun in Schweden lebt. Da sich aber alle Mitglieder des Chores gerade in laufenden Asylverfahren befinden, sei es nicht möglich gewesen, alle Choristen zusammen zu bringen.

Die Ouverture spirituelle der Salzburger Festspiele beginnt heute Freitag (22.7.) mit Haydns „Schöpfung“ (19.30 Uhr, Großes Festspielhaus). Yannick Nézet-Séguin dirigiert das Chamber Orchestra of Europe und den Chor des Bayerischen Rundfunks, Solisten sind Hanna-Elisabeth Müller, Werner Güra und Gerald Finley – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Universität Salzburg (1); Salzburger Festspiele / Anne Zeuner

 

 

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