Der Stoff, aus dem die Träume wohl sein sollten

FESTSPIELE / ERÖFFNUNGSFESTAKT

28/07/16 Die aktuellen Terroranschläge und Gewalttaten sowie die politischen Veränderungen rundum waren zentrales Thema in allen Reden. Wer, wenn nicht Künstler und ihre Kunst sollten in eine bessere Welt weisen? Festredner Konrad Paul Liessmann warnt in dem Zusammenhang aber entschieden davor, dass sich selbsternannte Eliten der Kunst als Werkzeug bedienen.

Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler ging in ihrer Begrüßungsrede auf Richard Strauss' Oper „Die Liebe der Danae“ ein. Strauss sei, „als er mitten im Weltenbrand des zweiten Weltkriegs diese heitere Mythologie in drei Akten geschrieben hat, Weltflucht vorgeworfen worden“, so Rabl-Stadler. Sie stellte angesichts der aktuellen Geschehnisse die Frage: „Würden wir nicht auch gerne, wenn nicht unsere Seelenfenster, zumindest unsere Ohren und Augen verschließen vor dem Grauen in Fern und Nah?“ Die Festspielpräsidentin verwies zu dieser Frage auf Strauss' eigene Erklärung, die antike Mythologie böte ihm subtile Deutungsmöglichkeiten für moderne Probleme, persönlicher und politischer Art.

Landeshauptmann Wilfried Haslauer betonte, dass „wir“ uns noch immer in einer vergleichsweise beneidenswerten Situation befänden: „Wir, die Kinder des Glücks, die genau hier und gerade jetzt leben dürfen, im vermeintlich sicheren Auge des Sturmes, der ringsum wütet, näher rückt und uns sein Grauen durch unwirkliche Bilder nur erahnen lässt.“

Der Landeshauptmann ging natürlich auch auf das Landesjubiläum ein und stellte die Frage: „Sind wir in diesen zweihundert Jahren bessere Menschen geworden? Da könnten bis 1945 Zweifel angebracht sein, aber danach? Wir fühlen uns doch in Wahrheit moralisch und ethisch hochstehender als die Generationen vor uns: Hand aufs Herz, wie schnell sind wir nicht mit der Verurteilung da, was früher gewesen ist, wir mit der Gnade der späten Geburt. Ich bezweifle, ob wir selber wirklich davor gefeit sind, wieder in die Barbarei, die Grobschlächtigkeit, die Kulturlosigkeit zurück zu verfallen, wenn wir aus der Ruhe im Auge des Sturmes in seine zerstörerische Veränderungsgewalt rücken, wenn auch wir das Schicksal anderer Zivilisationen erleiden, die im Laufe der Jahrtausende gekommen, aber auch gegangen sind, hochstehend und bewundernswert, letztendlich aber immer kraftlos, dekadent, ohne Selbstwertgefühl und eine leichte Beute für die brutale Stärke des Urtümlichen.“

Die Kunst mache bewusst, „dass wir nicht eine willenlose Herde sind, sondern in jeden von uns ein Stück weit Unendlichkeit gesetzt ist. Sie rüttelt auf, sie regt an, sie macht uns Lachen und Weinen, sie verwandelt uns, wenn auch nur in Nuancen, und oftmals merken wir es gar nicht. Die Salzburger Festspiele sind aus jenem Stoff gemacht, aus dem die Träume sind, sie machen uns aber auch bewusst, unser kleines Leben liegt im Schlaf. Wenn wir irgendwann erwachen, werden wir uns fragen müssen, wie sehr uns die Veränderung verwandelt.“

Einen Bogen von der Notwendigkeit zur Veränderung zu aktuellen politischen Herausforderungen spannte der für Kulturagenden zuständige Bundesminister Thomas Drozda: „So unterschiedlich die kommenden Aufführungen und Inszenierungen auch sein werden, eines wird ihnen gemeinsam sein: Kunst ist Veränderung, jedes Kunstwerk erzählt von Veränderung, keine Aufführung ist nur Wiedererweckung, sondern immer auch Neuschöpfung eines Werkes.“ Insofern seien Kunstschaffende mehr gefordert denn je: „Unsere Gesellschaft beruht mehr denn je – ob wir das wollen oder nicht – auf Innovation. Für die Arbeit der Künstler galt das schon immer, das Neue oder die Neufindung ist die Grundlage aller künstlerischen Arbeit.“

Und zum Spannungsverhältnis zwischen Europa und Rechtspopulismus: „Als zentrale Agenda einer gegenwärtigen Politik, die sich mit Fug und Recht gegenwärtig nennt, erscheint mir, die Lust auf Veränderung bei den Menschen zu wecken, anstatt die Angst vor der Neugier auf Veränderung zu schüren.“

„In einem Klima, in dem unumstößlich Geglaubtes ins Wanken gerät, ist es leicht, Gräben aufzureißen – viel leichter als sie zu schließen, als Brücken zu bauen“, sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures. Es gelte zu verhindern, dass „das Vertrauen ganzer Bevölkerungsgruppen in demokratische und rechtsstaatliche Institutionen schwindet“. Polarisierung bringe uns nicht weiter. Es gelte, die Aufmerksamkeit auf „die wichtige schöpferische Kraft von Träumen zu lenken“.

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann hat in seiner Festrede ein Plädoyer für die Un-Korrumpierbarkeit von Kunst gehalten, wie man es in dieser Denk-Genauigkeit, aber auch Leidenschaft selten zu der Gelegenheit vernommen hat. Kunst sei keine Sache für Oligarchen oder selbsternannte Denk-Eliten...

Den musikalischen Teil der Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag Vormittag (28.7.) in der Felsenreitschule gestalten heuer die Musicbanda Franui und das Mozarteumorchester Salzburg.

Bilder: LMZ / www.neumayr.cc
Die Festrede von Konrad PaulLiessmann im Wortlaut
Und mehr bedarfs nicht – Über Kunst in bewegten Zeiten