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Im puren Goldregen des Strauss-Gesanges

FESTSPIELE / DIE LIEBE DER DANAE

01/08/16 Zugegeben, wir sind immer noch niedergeschmettert von der Gold- und Farbenopulenz auf der Bühne des Großen Festspielhauses. Was die Geschichte, jene von der „Liebe der Danae“ anlangt, muss man trotzdem oder gerade deswegen sagen: Es gilt das gesungene Wort. Und natürlich der von den Wiener Philharmonikern gespielte Ton von Richard Strauss.

Von Reinhard Kriechbaum

Nicht nur in Sachen „Heitere Mythologie“, auch in Biologie haben wir an dem Abend dazugelernt: Elefanten und Esel sind nicht zwingend Grautiere. Das Rüsseltier, aus Pappmaché wohl, hat Mammut-Dimensionen und ist weiß. Den genmutierten Elefanten ein paar Meter am Strick vorwärts zu ziehen, kostet sogar Chefgott Jupiter letzte Kraft. Der Esel, lebendig und deshalb als eines der wenigen Ausstattungsstücke nach der Natur proportioniert, tendiert auch eher ins Weiß. Damit passt er vortrefflich zu den Kostümen von Danae, Midas und Jupiter.

Blütenweiß die Hauptprotagonisten, ebenso wie der gekachelte Raum, den man aber trotzdem nicht vorschnell für eine Elefentenmetzgerei ansehen sollte: Blitzschnell werden die Stufen mit Teppichen in wundersam abgestuften Rot-Tönen belegt, und oft werden Ornamente aufs Weiß projiziert. Mit dem ornamentalen Zierrat hält's der Regisseur, oder richtiger: Figuren-Arrangeur Alvis Hermanis.

In den Chorszenen holt er Menschen sonder Zahl in farbenfrohen Türkenkostümen auf die Bühne. In den intimeren Episoden baut er dräuendem Horror vacui im Großen Festspielhaus vor, indem er zwölf Ballettdamen (Europaballett St. Pölten, Choreographie Ala Sigalova) tanzen lässt. Gülden sind sie, wenn sie für den Goldregen stehen. Meistens setzt Hermanis sie deshalb ein, um sich Arbeit mit der Personenregie zu ersparen. Hauptsache Opulenz und was los auf der Bühne!

Eigentlich wär's eine intime Geschichte: Danae, Tochter des schuldengeplagten Griechenkönigs Pollux, soll reich verheiratet werden. Midas aus Lydien, dem alles unter den Händen zu Gold wird, kommt da gerade recht. Freilich hat Jupiter die Hand im Spiel und würde gerne auch einen anderen Körperteil in dieses einbringen. Aber Danae verliebt sich in Midas. Die zuerst nach Gold schielende und durchaus korrumpierbare Prinzessin nimmt Midas aber auch als Eselstrteiber. Dem Eheidyll gilt der ganze dritte Akt, in „Midas' Hütte, Danaes Reich“, wo Danae mit „ruh'gem Herzen“ auch den letzten Annäherungsversuchen Jupiters locker widersteht. Der Götterchef ist arm dran.

Schönere, reinere Musik als für diese letzte Opern-Stunde ist in unserem Jahrhundert nicht geschrieben worden. Da vergisst man gerne, dass sie schon in den frühen 1940er Jahren ein stilistischer Anachronismus sondergleichen war. Darüber, dass damals der Zweite Weltkrieg tobte, darf man erst gar nicht nachdenken: Weltflucht, Realitätsverweigerung eines alten Komponisten?Oder Trotz, ein sich widerständig aufbäumendes Hoffen auf eine „bessere Welt“? (In einer solchen hoffte man sich nach der Generalprobe 1944 in Salzburg, nach der die Festspiele damals abgesagt wurden, wieder zu treffen. Ein legendäres Zitat.)

Solche Fragen stellen sich nicht. Franz Welser-Möst ist der Dirigent, der am Pult der Wiener Philharmoniker jeden Ästhetik-kritischen Einwand machtvoll und mit Überzeugungskraft beiseite wischt. Er lässt in den Massenszenen des ersten Akts erst ordentlich auftrumpfen und schwätzen, um sich dann mit dem fabelhaft konzentrierten Orchester auf die behutsamen, empfindsamen, leisen Töne einzulassen. Freilich: Rauschgold steckt in der Partitur, das typisch spät-strauss'sche Kunstgewerbe. Aber wie betörend ist das ausgebreitet! Und wie lucid fächert Franz Welser-Möst das auf, souverän, ohne jede Überzeichnung. Da fügt sich alles in Eins.

Man höre nur auf das geradezu umwerfend lockere Damenquartett Mária Celeng (Semele), Olga Bezsmertna (Europa), Michaela Selinger (Alkmene) und Jennifer Johnston (Leda) – die vier Ex-G'spusis setzen Jupiter ordentlich zu, eine jede von ihnen macht sich doch noch Hoffnungen auf ihn. Kapellmeisterlich umwerfend perfekt bringen die Sängerinnen und der sie anleitende Dirigent das heraus. Norbert Ernst ist als Merkur ein Tenor-Windhund von Gnaden. Regine Hangler als Dienerin Xanthe holt gleich zu beginn der Oper die zu dem Zeitpunkt sich als kapriziöses Luxusweibchen gerierende Danae mit präzis geführter Stimme auf den Boden der Realität zurück.

Danae: Das ist eine Traumpartie für Krassimira Stoyanova, eben weil diese Sängerin über alle Orchesterfluten hinweg den Reifeprozess dieser jungen Dame plausibel macht: Sie wäre verführbar und behält doch Kontrolle gegenüber dem drängenden Jupiter. Sie wird dem Gold nicht erliegen und sich immer in den Spiegel schauen können... Da lässt man sich als Hörer doppelt gerne ein auf die super-reinen Höhenfüge dieser Stimme im Finalakt. Zu schön um wahr zu sein? Nein. Wenn man das gestalterisch so anlegt, ist genau die Schönheit, wie sie diese Art von Wahrheit verlangt.

Tomasz Konieczny ist Jupiter: Der Bassbariton hat das Kernige für den Erzschurken in seiner Stimme, aber er bleibt nicht Beinahe-Don Giovanni, sondern entwickelt die Rolle mit beeindruckender Behutsamkeit in Richtung Philanthrop: Da lernt und akzeptiert im dritten Akt ein Gott die Qualität des maßvollen und ehrlichen Mensch-Seins. Wie leise das passiert, wie die Wiener Philharmoniker das aufs Subtilste mittragen: ein Erlebnis besonderer Art.

Gerhard Siegel ist Midas, auch er auf der Höhe dieses in Summe handverlesenen Ensembles ohne irgendeine Schwachstelle: Eine ebenfalls sich ohne jede Mühe gegenüber dem Orchester emanzipierende, unforcierte Stimme. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ist Pollux, der die vier Inselkönige (Pavel Kolgatin, Andi Früh, Ryan Speedo Green, Jongmin Park) auf Brautschau schickt. Dieses Männerquartett und die vier abgehalfterten Gespielinnen des Jupiter – ein solches Oktett bringen auch Festspiele nur in Sternstunden zusammen. Wo nötig präsent ist die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor.

Da hat also die Musik die absonderlich nichtssagende Szene mühelos auf die ihr innewohnende Null-Meldung zurückgeschraubt. So bunt konnten es der Regisseur (und Bühnenbildner) Alvis Hermanis, sein Kostümbildner Juozas Statkevičius mit den türkischen Pluderhosen und übergroß-kugeligen Turban-Kopfaufbauten also gar nicht treiben: In die Festspielgeschichte wird diese „Liebe der Danae“ eingehen als eine im Grunde konzertante Aufführung mit maximalem Geldeinsatz für optischen Aufputz.

Aufführungen bis 15. August – www.salzburgerfestspiele.at
Hörfunkübertragung am 6. August, 19.30 Uhr, Ö1; Fernsehaufzeichnung am 12. August um 21.20 Uhr in ORF2 und auf Classica
Bilder: Salzburger Festspiele / Forster

 

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