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Hüpfen, springen, totentanzen

FESTSPIELE / BEJUN MEHTA

04/08/16 Lamentiert wird in der Barockmusik nicht wenig: zum Beispiel aus Liebeskummer. Aber wenn's ans Sterben ging, da gab man sich fröhlich, in der Hoffnung, ja in der Gewissheit auf eine bessere Welt. Am Mittwoch (3.8.) lamentierte und frohlockte der Countertenor Bejun Mehta.

Von Reinhard Kriechbaum

„Ich freue mich auf meinen Tod / Ach hätt' er sich schon eingefunden“ – ein fröhliches Tändeln im Sechsachteltakt hat sich Bach in seiner Kantate „Ich habe genug“ für die heutzutage etwas befremdlich anmutende Einstellung zum Lebensende ausgedacht. Und Bejun Mehta, nicht nur ein Vokalist von Format, sondern ein ebenso mutiger wie lustvoller Textgestalter, hat das so gefasst, dass man es so auf einen Nenner bringen könnte: hüpfen, springen, totentanzen...

Fröhliche Urständ (Auferstehung) für Musik aus einer Zeit, da das Leben für die meisten Leute so wenig schön und lustig war, dass sie es gerne gegen ein besseres Jenseits eingetauscht haben. Bleiben wir kurz bei Bachs „Ich habe genug“: In der zweiten Arie fand Bejun Mehta geradezu unglaublich innige (und zugleich textlich immens erzählerische) Töne für das optimistische „Schlummert ein, ihr matten Augen“.

Bejun Mehta weiß um das Besondere seiner Stimme. Sie ist in den Lagen jeweils sehr charakteristisch gefärbt, die Tiefe wirkt auffallend viril, und die höchsten Töne können so glockenhell-luzid angesetzt sein, dass sie wie von draußen hereinzuwehen scheinen. Wo andere sich bemühen, Klangfarbe von unten bis ganz oben ebenmäßig durchzuziehen, spielt Bejun Mehta mit den Kontrasten. Er lotet Grenzen des Möglichen aus. Manieriertheit ist dabei immer ein Thema, aber selbst außergewöhnliche Lösungen sind immer auf den Text und seine Inhalte zurückgebunden. Was Mehta so nebenbei an improvisierten Melodieauszierungen liefert, macht sowieso Staunen, ob der Technik nicht weniger als ob des Erfindungsreichtums.

Im englischen Originalklangensemble „La Nuova Musica“ hatte Bejun Mehta sehr gediegene Mitstreiter: Wie viel nicht in den Noten stehenden Zierrat hat die Oboe eingebracht! Das Klangrednerische und die Spieldisziplin dieses Kammerorchesters entspricht heutigem Standard, und David Bates, der die Gruppe vom Tasteninstrument (Cembalo oder Orgel) aus leitet, bringt in die Interaktion mit dem Sänger viel eigenständige Gestaltung ein.

Wer das Wort „Lamento“ mit schleppender Traurigkeit verbindet, ist an diesem schließlich in standing ovations mündenden Abend eines Besseren belehrt worden. Zu hören waren weltliche Kantaten von Händel und Vivaldi, Einzelsätze von Johann Christoph Bach („Ach, dass ich Wassers gnug hätte“) und Melchior Hoffmann (Schlage doch, gewünschte Stunde“, ob einst falscher Zuschreibung im Bach-Werkeverzeichnis aufgelistet) und zwei Arien von Händel.

Bild: Salzburger Festspiele / Michael Pöhn

 

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