Der Keller als Bildungsinstitut

FESTSPIELE / BERNHARD-LESUNG

07/08/16 Thomas Bernhard hat fünf autobiographische Bücher geschrieben. Nur ein paar Naive glauben nach der Lektüre über das Leben des Schriftstellers die Wahrheit erfahren zu haben. Am Freitag (5.8.) las der Dramaturg und Regisseur Hermann Beil im Landestheater aus dem fünfbändigen Kompendium vor.

Von Werner Thuswaldner

Vor allem aus dem zweiten Teil mit dem Titel „Der Keller“.Mit dem Keller ist eine Lokalität im Salzburger Stadtteil Lehen gemeint, wo Bernhard eine kaufmännische Lehre absolvierte. Den Abbruch des Besuchs eines Gymnasiums und den Wechsel hin zu einer Lehre beschrieb Bernhard rückblickend nicht als ein Scheitern, sondern als große heroische Tat, begleitet von heftigen Schmähungen des bürgerlichen Bildungswegs. Seine umfassende Bildung habe er einerseits von seinem Großvater, dem Schriftsteller Johannes Freumbichler, und andererseits von seinem Lehrherrn Karl Podlaha, einem Wiener, der einst von einer Sängerkarriere geträumt hatte, im besagten „Keller“ erhalten. Und das sei das Beste zu dieser Zeit existierende Angebot für einen Heranwachsenden gewesen. Übrigens teilen diese Ansicht nicht alle, sie meinen, dass eine solide Bildung für Bernhard ganz gut gewesen wäre.

Bernhard behauptet, er habe die Wahl seiner Lehrstelle ganz bewusst getroffen, nämlich in einer verrufenen Gegend von Salzburg, in der Scherzhauserfeldsiedlung, wo in langgestreckten Wohnblöcken gesellschaftlich Benachteiligte hausten. Bei ihnen, den Trunkenbolden, den Klein- und Schwerverbrechern, fühlte er sich nach eigenem Bekunden ausdrücklich wohl. Ein Kaufmann ist aber aus Bernhard nicht geworden, ebenso wenig ein Sänger. Ein Lungenleiden sei schuld daran gewesen. Schade. Denn schon hatte sich eine Laufbahn als Festspielkünstler abgezeichnet. Schließlich wurde ein Schriftsteller wurde aus ihm, der zunächst Georg Trakl nacheiferte und ganz zuletzt zum nihilistischen Schluss kam, dass alles egal sei.

Hermann Beil las den Text so, dass man glaubte, Bernhard höchstpersönlich beim Räsonieren zuzuhören. Leider sprach Beil das Wort „Scherzhauserfeldsiedlung“ so aus, dass er die Betonung auf „feld“ legte. Das ist falsch. Jeder Ortskundige und jeder Bernhard-Kenner, von denen es in Salzburg ganz viele gibt, hätte ihm das sagen können. Die Betonung der Ortsbezeichnung liegt nun einmal auf „au“. Jeder andere Akzent tut in den Ohren weh. Es wäre kleinlich, Beil diesen Fehler vorzuhalten, wenn das Wort „Scherzhauserfeldsiedlung“ nur ein oder zwei Mal vorgekommen wäre. Es kam aber dreißig, vielleicht sogar vierzig Mal vor. Es war nämlich Bernhards Gewohnheit, von einem Wort, an dem er Freude hatte, weil es bizarr klang, so schnell nicht mehr abzulassen, weil er wusste, dass sich damit ein komischer Effekt erzielen ließ. Komischen Effekten ging er niemals aus dem Weg. Dieser Aspekt war dem Publikum am Freitag nur allzu recht.

Bilder: Salzburger Festspiele / Franz Neumayr