Rhythm is it!

FESTSPIELE / GRUBINGER & FRIENDS

08/08/16 Für die Besetzung zwei Klaviere und Schlagwerk gibt es nicht allzu viel Originalliteratur. Ein kongenialer Bearbeiter, wie Martin Grubinger sen. lässt daher das Schlagzeug zum Orchester werden. Wozu gibt es melodische Schlaginstrumente und Schlagzeuger wie Alexander Georgiev oder Martin Grubinger jun., die im Anschlag so differenziert sind, dass ihre Instrumente fast wie Streicher klingen.

Von Christiane Keckeis

Fazil Says Werk „Gezi Park I“, im Urtext ein Konzert für zwei Klaviere und Orchester, wird in der Bearbeitung zu einem der (vier) Höhepunkte des Konzertabends: Fazil Say schrieb es als eine Programmmusik zu den Demonstrationen in Istanbul 2013. Angesichts der aktuellen politischen Lage in der Türkei wirken die starken musikalischen Bilder besonders beklemmend. Selbst die Hoffnung, die am Ende von den beiden Schwestern Ferhan und Ferzan Önder am Klavier sensibel artikuliert wird, führt sich ad absurdum.

„Grubinger & Friends“ nutzen eine feine, aber wirkungsvolle Art der unterstützenden Dramaturgie in ihren Interpretationen: sei es durch fast choreographiert wirkende Bewegungsabläufe oder mit dezenter Lichtregie. Letztere macht etwa die Bilder Fazil Says noch greifbarer. Die Intensität wird durch die Verbindung von Sehen und Hören tiefer, ohne dass es aufgesetzt wirkt.

Auch Steve Reichs Quartet für zwei Klaviere und zwei Vibraphone gewinnt durch diese Ästhetik. Die Parallelität der Bewegungen, die durch die Aufstellung der Instrumente gut sichtbar gemacht wird, unterstützt weiters die Intention des Werkes, das in der Minimal Music angesiedelt ist, aber auch jazzige Elemente hat.

Die Perfektion des Ensembles im Zusammenspiel ist stupend. Der zweite Satz, ganz poetisch und traumwandlerisch, gerade nicht kitschig, bekommt in der Tat etwas Psychodelisches – genau wie Martin Grubinger jun. in seiner Moderation angekündigt hat.

Ja, der Meister selbst moderiert. Und er tut das authentisch und erfrischend. Nicht nur die Umbauten werden damit überbrückt, auch das Hörerleben wird vertieft: hört man doch besser, was man weiß. Martin Grubingers Art des Gesprächskonzerts ist in seiner Begeisterung nicht nur sympathisch, sondern auch ansteckend.

Bela Bartoks Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug, uraufgeführt 1938, ist das erste Originalwerk für diese Besetzung - und mutet in seiner Originalität vielleicht moderner an, als manches der zeitgenössischen Werk.

Am Schluss steht ein Auftragswerk Martin Grubingers an Tan Dun, den chinesischen Komponisten, der sich trotz politischer Verfolgung international durchsetzte. Sein Konzert für Schlagzeug und Orchester „The Tears of Nature“ zeigt in drei Sätzen nicht nur die Facetten von Naturgewalten und menschlichen Herausforderungen, sondern auch all die Spielarten und die Vielseitigkeit der Schlagzeuger. Das ist schlichtweg zum Staunen, sowohl im Miteinander von Martin Grubinger sen., Alexander Georgiev und Martin Grubinger jun., als auch im sensationellen Solo von Grubinger jun.: All das geht ganz archaisch wirkend nicht ins Hirn oder ins Gefühl, sondern direkt in den Bauch. Den Orchesterpart übernehmen wieder die beiden Klaviere: Ferzan und Ferhan Önders fügen sich ein, setzen Impulse, ganz im Sinne von kammermusikalischem Miteinander, ohne die gegebene Virtuosität in den Vordergrund stellen zu müssen. Das Publikum jubelt – und freut sich nach knapp drei Stunden Musik über die Zugabe „Libertango“, in der nach so viel wunderbarem Solo-Schlagzeug die beiden charismatischen Pianistinnen ihren Auftritt haben und das Schlagzeug seinen ursprünglichen Platz als Rhythmusgruppe einnimmt.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli