Murl und Negerlein

STICH-WORT

altVon Christina Repolust

13/02/12 Es war ein Faschingdienstag in den sechziger Jahren, ich war als Zigeunerin verkleidet mit dabei. Es gab auch Neger in Baströckchen, das Binnen-I war noch nicht entdeckt oder erfunden. Mein Vater warnte mich in den siebziger Jahren vor den Versuchungen der „Katzlmacher“ an der nahen Grenze. Politisch korrekt? Eine Negerfigur nickte, wenn man Geld für die Mission in sein Kästchen warf und Missionare standen damals in Osttirol richtig hoch im Kurs.

Ich bekam vom Pfarrer die Bibel ins Gesicht geschlagen, weil ich  mich nicht gemeldet hatte, als er fragte: „Wer ist hier aus einer Mischehe?“ Mein Vater war ein „Schwarzer“ = ÖVPler durch und durch, dessen natürliche Feinde die „Roten“ = SPÖler waren. Trotzdem war ich, so meinte ich, als damals Siebenjährige, nicht aus einer Mischehe zu stammen. Doch, die Mama war eine Deitsche, eine Scheipi, wie Stermann es schreibt und evangelisch noch dazu. Heute heißt das Verhältnis meiner Eltern, also ihre Ehe, irgendwie so wie ökumenisch, das klingt wirklich viel freundlicher, wie alle „ö“-Wörter so nett sind: ökologisch, ökonomisch, ökumenisch und österreichisch auch.

Es war in den frühen neunziger Jahren, als mein Sohn lieber als Indianer denn als „Karlson vom Dache“ seine Faschingskrapfen gegessen hätte. So war die Wirklichkeit und so stand es damals auch noch in den Büchern, bevor – Zitat Christine Nöstlingers – „die Wörter verhaftet wurden“. Aber die preisgekrönteste aller österreichischen AutorInnen sagt in der „Zeit“ auch ganz bestimmt: Ein Neger bleibt ein Neger. Der Thienemann Verlag hat ja bekanntgegeben, die „Negerlein“ aus Preußlers Klassiker „Die kleine Hexe“ getilgt zu haben. Meinungen wurden laut und lauter darüber, was man Kindern zumuten oder zutrauen darf und sollte.

Wer Kindern vorliest, bevor diese selber das Buch quasi in die Hand nehmen, hat doch immer schon „ausgewechselt“, was ihr und ihm nicht gefiel, was er oder sie für nicht passend hielt. Es gibt sie nämlich, diese unbeschreiblich wichtige Literaturvermittlung: Die Bibliotheken, die Kindern unabhängig vom sozio-ökonomischen Hintergrund ihres Elternhauses Bücher zur Verfügung stellen und immer öfter auch noch Menschen, die ihnen Bücher vorlesen. Die entweder Begriffe wie „Neger“ oder „Zigeuner“ auch „verändern“ oder eben erläutern, warum „wir nicht mehr Zigeuner sagen“ und hoffentlich vorurteilsfrei Sinti und Roma begegnen. Oder tun wir das nicht?

Die Schweizer Expertin für interkulturelles Lernen, Silvia Hüsler, hat kürzlich auf Einladung des Literaturhauses Salzburg und des Projektes „Miteinander lesen“ vor Kindergarten- und Schulkindern, für KindergartenpädagogInnen, Stadteilmüttern und MuttersprachlehrerInnen vom Schatz der Mehrsprachigkeit erzählt. Ihr erstes Bilderbuch hat sie in den achtziger Jahren geschrieben, weil es damals so gut wie keine Kinderliteratur zum Thema „Migration oder Sprachenvielfalt“ gab: „Die sind damals alle aus guten Absichten entstanden und haben alle die gleiche Geschichte erzählt: Ein armer ausländischer Junge oder ein ausländisches Mädchen kam neu in die Klasse und wurde von niemandem gemocht. Alle waren immer arm, hatten Heimweh, die Mütter meistens auch noch Kopfschmerzen.“ Dass dann die Hauptperson nur über eine besondere Leistung akzeptiert wurde, ärgert die Autorin: „Das Mädchen in der einen Geschichte kam aus Jugoslawien, es spielte wunderbar Geige, das war der Schlüssel zu seiner Integration! Welch eine Idee hinter dieser Geschichte! Alle Mädchen aus (ehemaligen) Jugoslawien spielen Geige, sind ja eh alle Zigeuner, das Klischee passte also wieder!“

Apropos KindergartenpädagogInnen: Gemeindebundpräsident Mödlhammer wollte laut Zeitungsmeldung jüngst den „schwarzen Peter“ in Bezug auf die skandalös niedrige Entlohnung der PädagogInnen der frühen Kindheit, des Zukunftsschatzes dieser Nation, also die KindergartenpädagogInnen nicht annehmen. - Ein wunderbares Buch von Peter Henisch, „Schwarzer Peter“, 2000 im Residenzverlag erschienen: ein Murl, der Wienerisch spricht. Na ja, Textzitat halt, absichtlich gewählt, absichtsvoll geschrieben, nachdenklich machend. Literatur eben.