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Stress-Resistenz

STICH-WORT

13/03/13 Ein potentieller Lieblingssatz, wie geschaffen für die Pinnwand. „Nur wer von Kindesbeinen an Stressbewältigung erlernt, zeigt sich der Kunst später auch gewachsen.“ Danke dafür, lieber Kollege Ronald Pohl vom „Standard“!

Von Reinhard Kriechbaum

Es geht in dem Standard-Text ums Stendhal-Syndrom: Leute, die zu schnell, zu viel, zu herausfordernd-anspruchsvolle Kunst über sich ergehen lassen (müssen), schnallen ab und entwickeln psychische Auffälligkeiten. Stendhal hat das 1817 in Florenz an sich selbst verspürt und beschrieben. Einfach zu viel Michelangelo, Donatello, Brunelleschi  auf einem Fleck.

Ach lebte Stendhal doch noch! Wir würden ihn dieser Tage nach Salzburg schicken, für weitere Selbstversuche. Und zur Abhärtung, die man freilich mit deutlich geringerer Dosis angehen sollte.

Hierorts muss man ja im Moment allerhand Kultur-Stress wegstecken. Die „Salzburg Biennale“ hat sich (auch) zeitgenössischem Musiktheater verschrieben. Neun Termine an drei Wochenenden explizit unter dem Signum „szenewechsel“. Das allein gibt  schon aus.

Das Landestheater konterkariert die Biennale kommenden Samstag (16.3.) mit einer Opern-Uraufführung („18 Tage“ von Hossam Mahmoud). Am Vortag zum Drüberstreuen die Uraufführung zweier hoffnungsvoller deutscher Blutjungdramatiker – man soll nichts unversucht lassen, um sich im Mozartdorf die ach so kopfstarke Klientel für zeitgenössische Bühnenkunst abspenstig zu machen. Drum gleich auch noch die „Oleanna“-Premiere, ebenfalls am kommenden Wochenende: Wann, wenn nicht gerade jetzt sollte man die dunkle hausinterne Vergangenheit (Sie wissen schon: Anmache einer Mitarbeiterin durch einen leitenden Vorgesetzten) bühnenkunstvoll aufarbeiten?

Wir zweifeln natürlich nicht daran, dass das alles aus dispositionellen Sachzwängen genau so und nicht anders sein muss. Eifersüchtelei oder gar Ignoranz kann es wohl nicht sein.

Auch die Universität Mozarteum, deren Rektor immerhin im Vorstand der „Salzburg Biennale“ sitzt, wird nicht absichtsvoll mit dem Kooperationspartner auf Kollissionskurs gegangen sein. Es wird also ausschließlich mit dem 75-Jahre-Jubiläum des Anschlusses zu tun gehabt haben, dass man gerade dieser Tage des KZ-Komponisten Viktor Ullmann „Kaiser von Atlantis“ und „Mahagonny“ von Brecht/Weill spielte. Bei der Premiere am Montag (11.3.) ist man übrigens mit dem Landestheater, das da an die freudige Begrüßung Hitlers hierzulande erinnerte, übers Kreuz gekommen.

Macht alles nichts. Weil ohnedies jeder nur mit einem A… auf einem Theaterstuhl sitzen kann, sind psychosomatische Auswirkungen à la Stendhal-Syndrom nur bei wenigen Sensibelchen und Übereifrigen zu befürchten. Es braucht wahrscheinlich keinen Kriseninterventionsdienst in der Landesnervenklinik.

Und wir? Der DrehPunktKultur steuert in vollem seelischen Selbstvertrauen ins kommende Wochenende. Wir trainieren regelmäßig in Sachen Kultur und stärken so unsere Widerstandskräfte. Der aufmunternde Satz „Nur wer von Kindesbeinen an Stressbewältigung erlernt, zeigt sich der Kunst später auch gewachsen“ pickt schon auf der Pinnwand. Wir fühlen uns mental stark. Ob es für feuilletonistische Medaillenränge reicht, wird sich zeigen. Aber die haben ja die deutlich mickriger vorbereiteten Schiathleten in Schladming schließlich auch geschafft.

 

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