Armes, reiches Salzburg

STICH-WORT

25/07/14 „Bettler sind Gesprächsthema. Sind sie auch Gesprächspartner?“ Wer aus dem Musentempel kommt und nicht ganz geblendet ist vom Glamour, dem könnte heuer etwas auffallen vis-a-vis, in den Fenstern der Universitätsbibliothek an der Hofstallgasse…

Von Reinhard Kriechbaum

Mit dem Fotoprojekt „Salzburger Bettelposen“ setzt man heuer während der Festspielzeit in der Hofstallgasse ein Zeichen für mehr Achtung der Menschenwürde. Die Bettler-Thematik ist ja allgegenwärtig in Salzburg und viele meinen, dass die Allgegenwärtigkeit von Bettlern dem Tourismus-Image gar arg zuwiderlaufe.

Und nun schauen die Bettler sogar aus den Fenstern der Universitätsbibliothek direkt den Festspielbesuchern entgegen! Oder, genauer gesagt: Es sind nicht unbedingt Bettler. Die Dame im blassblauen Abendkleid, die da vor der Domfassade kniet und ihre Hand in Bettel-Pose entgegen hält, ist natürlich Model. „Wenn sich Aussehen und Haltung der Bettlerinnen und Bettler verändern, wird auch das Betteln gänzlich neu wahrgenommen“, so die Gestalter der Foto- und Text-Ausstellung hinter den Glasscheiben.

„Texte von Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und universitären Leben, historische Exkurse und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Armut relativieren die trügerische Ästhetik der Fotos.“ Zum Bild mit der "bettelnden" jungen Frau Hat Michaela Gründler, die Chefredakteurin der Straßenzeitung "Apropos", geschrieben: "Zum Glück organisiert". Die Festspiel-Society muß es sich im Gegensatz zu den Bettlern ja nicht vorwerfen lassen, dass sieim Regelfall  ziemlich gute Netzwerke eingebunden ist...

„Die Fenster in der Hofstallgasse werden regelmäßig zum „Wissenspfad“, einem rund um die Uhr begehbaren, unkonventionellen Ausstellungsraum, der neue, spannende und interessante Einblicke in Themen aus Wissenschaft, Geschichte und Kunst eröffnet“, heißt es in einer Presseaussendung der Universitätsbibliothek.

Es ging beim Fotoprojekt „Salzburger Bettelposen“ nicht um Bilder des Alltags. Man zielt auf Irritation und will Nachdenklichkeit erzeugen. Welche vorgefertigten Bilder und Meinungen, ordnen wir als Passanten diesen Bittstellern zu? Die Universitätsbibliothek Salzburg und das Projekt „Salzburger Bettelposen“, initiiert von der Straßenzeitung Apropos, dem Friedensbüro Salzburg und der ARGEkultur, versuchen also dem derzeit geführten Diskurs um das Betteln im öffentlichen Raum auf einer künstlerisch-ästhetischen Ebene eine neue Richtung zu geben.