Ampelmännchen, -weibchen, -pärchen

STICH-WORT

18/05/15 Dieser Tage in Wien: Da stehe ich und schaue etwas ratlos auf das Pärchen, das mir auf der gegenüberliegenden Straßenseite rot entgegen leuchtet: Die beiden Damen tragen Röcke. Und ein Herzchen signalisiert, dass sie sich in Liebe verbunden fühlen.

Von Reinhard Kriechbaum

Bis in den Online-„Spiegel“ und in die „FAZ“ hat man es gebracht mit den neuen Wiener Fußgängerampeln. Pardon: „FußgängerInnenampeln“ schreibt die Rathauskorrespondenz Wien und greift damit doch nur einen Zipfel der gebotenen politischer Korrektheit. Wo bleiben die Schwulen und Lesben in dieser Formulierung? Denen gilt immerhin die neue Ampelmännchen-Aktion: Anlässlich des Life Balls, des Song Contests und der Regenbogenparade gibt es an vielen Straßenübergängen in der Bundeshauptstadt drei Sujets: Ein Paar aus Mann und Frau, zwei Frauen sowie zwei Männer - jeweils mit einem Herzchen. Immerhin auch ein Hetero-Paar, in der Rot-Phase übrigens mit Schmetterlingen im Bauch. 120 Schutzwege seien so neu ausgestattet worden, heißt es im Magistrat.

Was tu ich jetzt, angesichts des rot-grünen Gegenübers mit dem Regenbogen-Gemüt? Im Kopf ist die tiefere Bedeutung wohl angekommen, PR-Aktion geglückt! Aber muss ich nun stehen bleiben, als allein des Weges kommender Hetero?

Die Salzburger Provinz fällt mir ein und die unsägliche Diskussion in Sachen Überholverbotsschilder. Dort ist die Sache nämlich juridisch angeblich ganz eindeutig: Es gibt Piktogramme, die zeigen eckige Autos, und andere mit eleganten Rundungen. Letztere entsprechen zwar den heutigen Design-Vorlieben, aber der Gesetzgeber, so hieß es, sehe dezidiert Ecken vor. Andernfalls, so wurde im vergangenen Herbst ernsthaft kolportiert, könnten Autofahrer angesichts aus der Gesetzes-Norm gefallener Schilder gar auf die Idee kommen, etwaige Strafverfügungen zu beeinspruchen.

Offenbar herrscht in Wien, zumindest war Fußgängerübergänge betrifft, die pure Anarchie: Ampelmännchen, -weibchen, -pärchen! Wie soll unsereiner, gesetzesunkundig, nun wissen, was zu tun und zu lassen ist? Vielleicht spontane gleichgeschlechtliche Geh-Gemeinschaften bilden, um beim Übersetzen der Straße der geforderten Norm zu entsprechen? Oder nicht einmal ignorieren? Das ist in Österreich eigentlich undenkbar.

„Die Presse“, was den Humor betrifft vielleicht eher nicht das Leitmedium des Landes, hat nachgefragt und von einer Mitarbeiterin der Magistratsabteilung 33 folgendes erfahren: Das Projekt werde wissenschaftlich begleitet, man schaue, ob man mit den Pärchen-Piktogrammen zur Verkehrssicherheit beitrage. Vor Installation der neuen Sujets habe man gezählt, wie häufig Menschen an diesen Kreuzungen bei Rot die Straße queren. „Nun soll erhoben werden, ob und inwiefern die Pärchen dieses Verhalten ändern“, weiß „Die Presse“. Hoffentlich vergisst man nicht, auch die unbotmäßigen Singles zu zählen.

Und noch was: Hat sich eigentlich ein Mensch, Mann  oder Frau, Gedanken gemacht, ob alle Wiener Lesben wirklich Kleid oder Röckchen tragen? Und sie ist das mit dem Kopftuch weiblicher islamischer Mitmenschen? Man wird noch an einigen Justierschrauben drehen müssen, bis die Buntheit unserer Gesellschaft auch aus den Verkehrsampeln strahlt.

Bild: Rathauskorrespndenz