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Teilhabe für Geimpfte und Ungeimpfte

GASTKOMMENTAR

10/01/22 Unsere Hintergrund-Geschichte vom Freitag über das Ausgrenzen oder das Integrieren von Impf-Verweigerern von Kulturveranstaltern hat natürlich nicht nur Zustimmung gefunden. Leo Fellinger vom Emailwerk Seekirchen ist die Formulierung „weltfremde Portion Idealismus“ sauer aufgestoßen. Er nimmt in seinem Gastkommentar die Impfskeptiker in Schutz.

Von Leo Fellinger

Eine gut getroffene Headline zu einem wichtigen Thema. Wir werden die nächsten Monate in jeder Hinsicht Brücken bauen müssen, um die Spaltung der Bevölkerung einzudämmen. Ich möchte hier einen Antwortversuch machen auf die Frage, die in folgendem Passus steckt:

Da steckt freilich eine gute, aber weltfremde Portion Idealismus drin. Ob wirklich all den „einzigartigen Ichs“, die da Woche für Woche gegen die Maßnahmen demonstrieren und nicht vor unheilvollen politischen Allianzen zurückschrecken, die volle Teilnahme an der Gesellschaft gewährt werden muss?

Wir sollten tunlichst wegdenken von rechten Querulanten und Verschwörungstheoretikern. Diese machen nicht dreißig Prozent der ungeimpften Bevölkerung aus, es sind auch nicht dreißig Prozent bei den Demonstrationen. Die Mehrheit der impfskeptischen Menschen besteht vielmehr aus jenen, die aus ganz persönlichen Gründen, z.B. Angst vor der Impfung, oder Misstrauen gegenüber Politik und Pharmaindustrie diese Entscheidung getroffen haben und die nun einfach zu Hause weggesperrt sind. Dann bleibt noch eine unglaubliche Anzahl an Menschen, die ganz einfach kein Vertrauen in diese Impfung haben.

Man verlangt von intelligenten Bürger*innen, mehr Vertrauen in die österreichischen Politiker*innen zu haben als in ihr persönliches Gefühl, ihre persönliches Werte-Empfinden. Das Prinzip der Gesundheitskompetenz gesteht jedem Menschen zu, zu wissen, was für sie oder ihn richtig ist. Es gibt verschiedene Gesundheitsverständnisse, und die letzte Instanz darüber, was für die eigene Gesundheit das Beste ist, ist jede Person selbst. Stattdessen soll man Vertrauen haben zu Politiker*innen, Expertinn*en und Pharmaindustrie? In einem Land, wo in einem Berufsvergleich das Vertrauen in Politiker gerade mal am 20. Platz manifestiert wird, d.h. in Österreich sprechen gerade mal zehn Prozent der Menschen dieser Berufsgruppe das Vertrauen aus.

Dann gibt es da noch die Radikalität der Sprache ("Siebzig Prozent der Bevölkerung hat alles richtig gemacht") und vor allem die Unwahrheiten, die in den Begrifflichkeiten stecken. Beispiel: Noch immer wird in Politik und führenden Medien der Begriff „vollimunisiert“ für eine dreifache Impfung verwendet. Das Wort bedeutet 100%iger Schutz vor Ansteckung. Wir wissen alle, dass dreifach Geimpfte das Virus gerade jetzt zu Hundertausenden aufnehmen und auch weiter übertragen können. Eine glatte Falschaussage. Auf solchen Unwahrheiten baut sich kein Vertrauen auf.

Jetzt zurück zu unserem Anliegen im Seekirchner Emailwerk, niemanden von der kulturellen Teilhabe auszuschließen, basierend auf der Vision eines friedlichen Miteinanders von Menschen mit und ohne Impfung. Wir haben uns entschlossen, jede Wertung aus unserem Arbeitsprozess zu verbannen, nicht zu unterscheiden zwischen Geimpften oder Ungeimpften. Wir werden schon nicht überrannt von rechtsradikalen Impfgegnern, auf diese Menschen strahlt unser Programm keine große Anziehungskraft aus. Und wenn man dieses unser Anliegen unter einer „weltfremden Portion Idealismus“ verstehen will, dann fassen wir das als Kompliment auf.

Leo Fellinger ist Vorstand des Vereins Kunstbox, der das Emailwerk in Seekirchen betreibt.
Bild: dpk-krie
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