Wie lange schauen wir noch zu?

GASTKOMMENTAR

Von Barbara Wicha

03/09/10 Die Freiheitliche Bauernschaft hatte zur Landwirtschaftskammerwahl mit einem Plakat „reinrassig & echt“ geworben – und hat von zwei Mandaten eines verloren. Damals wurde das Plakat weitgehend totgeschwiegen. Der Bundespräsidentenwahlkampf hat mit der freiheitlichen Spitzenkandidatin Barbara Rosenkranz und ihren Aussagen zum NS-Verbotsgesetz eine weitere Facette hinzugefügt - die WählerInnen waren klüger.

„Mehr Mut für unser Wiener Blut – Zuviel Fremdes tut niemandem gut“ – ein Slogan, mit dem H.-C. Strache im Wiener Wahlkampf vor dem 10. Oktober Feuer in die ohnedies bereits aufgeheizte Atmosphäre gegossen hat. Die Steirische FPÖ-Politikerin Susanne Winter wurde wegen ihrer Aussagen zum Islam wegen Verhetzung verurteilt - aber jetzt gibt es vor der Steirischen Wahl am 26.9. das Abknall-Spiel „Moschee baba“: für jeden verhinderten Moschee-Bau gibt es 2.000 Punkte, für jeden abgeknallten Muezzin 1.000 Punkte und für ein verhindertes Minarett 500 Punkte. Getarnt als Beitrag zur politischen Bildung.

Thilo Sarrazin verbreitet mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ quasi wissenschaftliche und mehr als fragwürdige Thesen zu vererbter Intelligenz, muslimischen Einwanderern und jüdischen Genen. In Ungarn hatte die rechte  Partei FIDES unter Viktor Orbán die 2/3 Mehrheit und Glückwünsche des österreichischen Vizekanzlers zu „seinem fulminanten Wahlsieg“ eingefahren. Im November 2009 haben sich Schweizer mehrheitlich für ein Minarettverbot ausgesprochen. Und in Frankreich lässt Staatspräsident Nicolas Sarkozy Roma nach Bulgarien und Rumänien „rückführen“ - während die EU derzeit die Hintergründe „klären“ will.

Wie lange noch kann sich Europa, kann Österreich, können demokratische Parteien, können Medien und die Wähler sich das noch bieten lassen?

Zurück zu Österreich: Schweigen, um einer Partei nicht noch zusätzliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, reicht nicht mehr. Denn es geht um Grundprinzipien demokratischer Gesellschaften. Wer Menschen anderer Nationalität, anderer Glaubensgemeinschaften, Minderheiten oder Asylwerber pauschal mit Kriminellen gleichsetzt, pauschal ihre Integrationsbereitschaft anzweifelt, sie als Bedrohung brandmarkt und damit Xenophobie und Vorurteile schürt, betreibt Menschenverachtung. Wer - siehe das so genannte „Spiel“ - zu Gewalt aufruft, betreibt Rassismus.

Es genügt leider nicht, auf die vielen positiven Beispiele für das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft hinzuweisen, Beispiele für gelungene Integration anzuführen. Natürlich gibt es Probleme - auch - als Folge von Migration. Was wirklich hilft, sind Programme, damit sich Menschen auf beiden Seiten besser kennenlernen, aufeinander zugehen können. Es gibt sie im Kleinen - aber Ängste zu schüren, Pauschalverdächtigungen zu erheben und wie zuletzt zu Gewalt aufzurufen, das widerspricht dem Prinzip von Menschenwürde und Demokratie.  Wo sind klare Worte und Konzepte unserer demokratischen Parteien, die dieser Hetzerei gegen MENSCHEN etwas entgegenzusetzen haben?

Die Politikwissenschafterin Barbara Wicha war bis 2008 ao. Universitätsprofessorin an der Universität Salzburg. Von 2004 bis 2006 war sie Leiterin des Fachbereichs Geschichts- und Politikwissenschaft. Sie gibt die Marie Jahoda sozialwissenschaftlichen Studien (P.Lang-Verlag) heraus und arbeitet im Kunstmanagement. Barbara Wicha ist Vorsitzende des Landes-Kulturbeirats Salzburg.
Bild: Universität Salzburg