Der erwartete Widerspruch

GASTKOMMENTAR

altVon Karl Zechenter

08/11/11 Soll man eine Antwort auf eine Glosse schreiben, die ganz bewusst um Widerspruch bittet? Ich hab ja auch noch was anderes zu tun und zwar genug und viel und überhaupt. Aber bevor das Telefon wieder läutet, ein paar Zeilen: Die Jugendlichen also, ewige Faulenzer, die schaffen das nicht mehr mit der Revolte, mit der man, wenn man es nur wirklich will und wirklich radikal genug ist, so ein schönes Kulturhaus in der Nähe der Altstadt bekommen kann. Deswegen sollte man natürlich auch dringend einen Film mit Lebenserinnerungen aus den Gründerzeiten der Salzburger Freien Szene sehen, um mal zu lernen wie das so geht mit der notwendigen Radikalität.

Der Film - „Up To Nothing“-, der mit diesen Worten angepriesen wird, ist gottseidank differenzierter, zeigt verschiedene Herangehensweisen, Charaktere, zeigt auch Frustrationen auf einem sehr langem Weg, der von den Hauptakteuren nicht nur mit Demonstrationen bei den Salzburger Festspielen in den frühen 80ern begangen wurde.

Wie ist das jetzt mit der Radikalität? Salzburg 1976 oder auch noch 84 sieht vor allem einmal mal radikal anders aus. Es gibt kein Rockhouse, es gibt noch kein Kulturgelände Nonntal, die Elisabethbühne ist in der zugehörigen Vorstadt, das heutige republic noch deutlich anders, Galerie 5020, Fotohof, Toihaus und mehr: Fehlanzeige. Es ist also mit einiger Berechtigung und leicht einsichtig zu fordern, dass „etwas“ gemacht wird. Und die Reaktion der Politik auf die Proteste war ja entsprechend: Statt einem Gelände, in dem eine Vielzahl der angesprochenen Interessen versammelt werden konnten, gab es das Kulturgelände, das allein kapazitätsmäßig den Wünschen nie entsprechen konnte. Wenn man sich die Übereinstimmung von Ausgangspunkt und Endergebnis ansieht, scheinen die Betreiber des MARKs trotz aller Schwierigkeiten sogar deutlicher erfolgreich zu sein.

Die jugendlichen KulturmacherInnen, die keine Revolte zustande bringen, sehen sich ja einer Situation mit einer ausdifferenzierten Institutionenlandschaft im Kulturbereich gegenüber, sie leben auch in einer Welt, in der kulturelle Angebote einen Klick weg am Smartphone zu finden sind und sie haben vielleicht gerade keine Zeit über die Radikalität nachzudenken, weil sie gerade ein Occupy Salzburg Happening organisieren.

Es tut sich nämlich eine Menge. Aus den Vernetzungsaktivitäten, die u.a. Christoph Kendlbacher initiiert hat, ist eine ganze Menge an neuen jungen Kulturinitiativen entstanden, seit Jahren bespielen junge Clubbetreiber in der ARGE wie im Jazzit die Säle, man denke nur an Tube Club, Beatshot, uvm. Werner Purkhart hat mit Unterstützung auch der Stadt Salzburg das Movida Festival aufgebaut, das Festival Waldklang ist entstanden, der Veranstaltungsort Denkmal hat sich etabliert, Gruppen wie Periscope veranstalten regelmäßig fein kuratierte Aktionen zu junger Bildender Kunst und sogar die leidige Nachbarschaftsthematik hat den Skaterpark von Rollbrett nicht abgewürgt.

Vielleicht braucht es keine Festspieldemonstrationen mehr, um Hip-Hop ins Landestheater zu bekommen, die Leute bekommen das schon geregelt.

Die Radikalität, die ich mir wünsche ist eher eine, die das vermeintlich Geschaffte, Verdienste und Institutionen auch immer wieder prüft. Da hilft es vielleicht sich den 2008 entstandenen Film „Freiraum“ anzuschauen, der eine neue „Kulturgelände“-Generation zwanzig Jahre später zeigt. Die sind nicht up to nothing, sondern haben schon ganz konkrete Ideen, die sie auch umsetzen. Früher oder später. Aber jetzt sorry, klingelt das Telefon zum vierten Mal.

Karl Zechenter war von 1999 bis 2005 künstlerischer Leiter der ARGEkultur, damals noch im alten Haus jenseits des Sportplatzes im Nonntal. Er ist Mitglied der Künstlergruppe „gold extra“, die zuletzt mit der Entwicklung des Computerspiel „Frontiers“ zum Thema Migration auch international hat aufhorchen lassen. – Karl Zechenter ist Jahrgang 1972, fällt also nicht mehr in die „Gründungsväter“-Generation der „Rainbergler.

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