Tarnanzug und Flügelhorn

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

24/03/15 Mindestens zwei Seelen schlagen in der Brust, wenn man die Sparpläne bei der österreichischen Militärmusik einigermaßen gerecht beurteilen will. Sie ist ein Stück alt-österreichischer Musikkultur, eines bewahrenden Glassturzes wohl würdig. Für Volkskultur und Musikausbildung im Land ist sie schier unverzichtbar – aber gerade das könnte und sollte man diskutieren.

Es geht nicht um „Ich hatt einen Kameraden“ oder um umstrittene Marschmusik etwa von dem Nationalsozialisten Sepp Tanzer. Die Militärmusik ist ein ganz wesentliches Stück österreichische Musikgeschichte. Die Blasmusik hierzulande wurzelt in einer kulturellen Begegnung aus Orient und Okzident und unterscheidet sich deshalb im Instrumentarium ganz wesentlich von Brass Bands, die sich etwa mit „Stars and Stripes“ präsentieren. Mancher k.&k. Militärmusiker im 19. und frühen 20. Jahrhundert war auch Operettenkomponist.

Die Militärmusik und speziell ihr Repertoire gehören mithin geschützt und gepflegt – und vor allem gespielt, von entsprechend ausgebildeten Musikern. Der Anteil an Musik mit braunem Hintergrund am Gesamtrepertoire ist so groß nicht, wenn auch markant. Aber auch da wären das Totschweigen, das sang- und klanglose Verschwinden-Lassen der allerschlechteste Weg.

Die musikpädagogische Dimension hat der 2008 jung verstorbene Heeresmusikchef Oberst Franz Peter Bauer kurz vor seinem Tod in imposante Zahlen gefasst: Demnach haben seit 1956 18.000 Musiker ihren Dienst bei der Militärmusik abgeleistet. „Davon schlugen 417 die Laufbahn von hauptberuflichen Orchestermusikern (bis hin zu den Solopulten bei den Wiener Philharmonikern) ein, 511 wurden Musiklehrer und 828 übernahmen die Leitung von zivilen Blaskapellen. Nicht weniger als 14.000 ehemalige Militärmusiker wirken in österreichischen Blaskapellen und tragen dort maßgeblich zur Erhaltung und Steigerung des musikalischen Niveaus bei“, schrieb Bauer damals, 2007, in einer Heeres-Fachzeitschrift.

Für nicht wenige Blasmusiker war bisher der Heeresdienst eine Intensivvorbereitung für das Musikstudium. Eingebettet in ein der Musik wohlwollendes Klima, in vergleichsweise toller Infrastruktur, konnten sich viele der freiwillig Längerdienenden, sobald sie den Tarnanzug gegen Flügelhorn und dergleichen harmloseresGerät eingetauscht hatten, gut fit machen für die Aufnahmsprüfung an Musikhochschulen. Und wer die Schulung hier durchmachte und fortan die Musik auch „nur“ als Amateur betrieb, brachte in die jeweiligen heimischen Blaskapellen zumindest ein geschärftes Sensorium für Qualität ein.

Die Frage, ob nun wirklich das Militär so stark mitverantwortlich sein soll für die Qualität der Blasmusikkapellen im Land, gehörte diskutiert. Wie der Österreichische Blasmusikverband in seiner Aussendung vom 19. April vorrechnet, sind die Einsparungen im Vergleich zum gesamtbudget minimal. Das ist letztlich bei allen Kultur-Kürzungen so, auch in der zivilen Welt. Sie gehen rasch an die Substanz, betreffen aber Dinge, die eigentlich nicht ernsthaft ins Geld gehen. Das Sparen bringt also nichts.

Es muss keineswegs die Militärmusik sein, die für die 2.160 Musikkapellen in Österreich (es gibt mehr Kapellmeister als Bürgermeister!) und über 109.000 aktive Blasmusikerinnen und Blasmusiker Messlatten vorlegt und Ausbildungsstandards setzt. Aber bevor man Bestehendes eilig mit dem Rotstift ausstreicht, gehören die musikpädagogischen Angebote rundum betrachtet, bewertet und auf ihre Optionen hin ausgelotet.

Das bloße Wegfallen der Militärmusik hinterließe einen Leerraum. Die Musikschulwerke, die in den Bundesländern nach wie vor ganz unterschiedlich aufgestellt und dotiert sind, können dieses Vakuum nicht von heute auf morgen füllen. Und die Volkskultur – die Haupt-Nutznießerin der Militärmusik – brauchte auch erst entsprechende Mittel, um Eigenes auf die Beine zu stellen.

Den Staat, der das letztlich so und so direkt oder indirekt mit Förderungen tragen müsste, könnte das Einsparen der Militärmusik mit ihren bestehenden (nicht zuletzt: räumlichen) Möglichkeiten zuletzt ziemlich teuer zu stehen kommen.

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