Als Salzburg die Zeit einfach nicht zurück drehte

GESCHICHTE

31/08/18 Gerade wird viel diskutiert über Sinn und Unsinn der Sommerzeit. 1920 war es in Salzburg abends dunkler als anderswo. Da galt nämlich in ganz Österreich die Sommerzeit, nur in Salzburg nicht. Ein dokumentierter Fall, dass die Salzburger einmal ihrer Zeit deutlich voraus waren: für einen Sommer um gleich sechzig Minuten

Dreht man das Rad der Zeit zurück ins Jahr 1920, stößt man auf ein kurioses Ausscheren eines Bundeslandes – nämlich Salzburgs – aus dem staatlich verordneten Vordrehen der Uhren zur hellen Jahreszeit. Mitten im Ersten Weltkrieg hatte Österreich-Ungarn und damit auch Salzburg die Sommerzeit eingeführt. Was heute als Argument makaber anmutet: Sie sollte die energieintensiven Materialschlachten des Ersten Weltkriegs unterstützen, indem an langen Sommerabenden weniger Beleuchtung nötig war.

Nach Kriegsende wurde die Umstellung 1919 kurzerhand abgesagt, aber im Folgejahr in ganz Österreich wieder eingeführt. Anfangs auch in Salzburg. Doch hatte man die Zeitrechnung ohne den Nachbarn gemacht. Mit Verweis, dass auch in Bayern im Frühling nicht an den Uhren gedreht würde, stimmten die Mitglieder der provisorischen Landesversammlung mehrheitlich für eine Rücknahme der Umstellung: „Nachdem wir den Krieg hinter uns haben, brauchen wir keine Sommerzeit mehr. Es wird darum ersucht, dass von Seiten des Landesrates unbedingt dahin gewirkt wird, dass diese Verfügung, die allen republikanischen Anschauungen widerspricht und nur zum Zwecke des Krieges und der Menschenabschlachtung gestellt war, außer Kraft gesetzt wird“, stand im Antrag des christlich-sozialen Abgeordneten Johann Hasenauer „und Genossen“. Sein Parteikollege Johann Eiböck sah eine ungünstige Zweiteilung der Zeit, da sich die Bauern weiterhin nach der Sonne, die Industriebetriebe aber nach der verordneten Sommerzeit richten würden.

Keinen Monat nach der bundesweiten Einführung beschloss daher das Land, die Uhren wieder um eine Stunde zurückzudrehen. Fast alle, denn die Staatsbahnen in Salzburg fuhren pragmatisch weiterhin nach Sommerzeit. Erstaunlich: Zwar wurde befürchtet, dass der Salzburger Sonderweg rechtlich aussichtslos wäre, doch der Bund ließ die Salzburger gewähren.

Die Sommerzeitregelung fand in Österreich nach 1920 bis zu den Jahren des Zweiten Weltkriegs ohnedies ihr zwischenzeitliches Ende und wurde erst 1980 wieder durchgehend eingeführt.

Ein Text aus der Serie „Salzburger Grenzfälle“. Die seit 2002 laufende monatliche Serie – ihr Autor ist Stefan Mayer – ist auch in bisher vier Bücher eingeflossen. Band 4 kann per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und telefonisch unter +43 662 8042-2417 um 6,90 Euro bestellt werden. Digitale Versionen aller vier Bände stehen unter www.salzburg.gv.at/grenzfaelle zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Die Grenzfall-Artikel gibt es auch online.
Bild. dpk-krie