Bücher brannten. Bücher brennen.

HINTERGRUND / BÜCHERVERBRENNUNG

24/04/19 „Möge das Feuer auch Schimpf und Schand verzehren, die unserer deutschen Stadt von diesem Geschmeiß geschah. Frei und deutsch sei die Stadt Mozarts!“ wurde 1938 am Residenzplatz beim Verbrennen von ausgewählten Texten jüdischer, klerikaler, "entarteter" oder ideologiekritischer Inhalte gerufen. Am 30. April wird das 81 Jahre her gewesen sein.

Von Franz Jäger-Waldau

Der Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung im Jahr 1938 durch Nationalsozialisten am Residenzplatz widmen verschiedene Institutionen, darunter die Initiative Freies Wort, das Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte, das Stefan Zweig Centre und die Katholische Aktion, ein Abendprogramm.

Für den 30. April werden die Wiener Ärztin und 89-jährige Zeitzeugin Lucia Heilman und der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt, eingeladen, um ab 19 Uhr in der Max-Gandolph-Bibliothek mit der Ö1-Redakteurin Renata Schmidtkunz über „Zivilcourage gestern : heute“ zu diskutieren. Danach, um 20.30 Uhr, hält der österreichische Schriftsteller Ludwig Laher beim Mahnmal, dem sogenannten Buchskelett am Residenzplatz eine Rede. Auch Musik wird dort in Form der Glockenspiel-Komposition S’brent von Mordechaj Gebirtig in einer Interpretation der Geigerin Marie-Christine Klettner geboten.

Die Salzburger Bücherverbrennung blieb fast fünfzig Jahre lang unerwähnt. 1987 erinnerte erstmals eine Salzburger Autorengruppe daran: Erich Fried sprach von der Vernichtung des Buches als einem symbolischen Zeichen der Auslöschung von Geist, Freiheit und Emanzipation. Zwanzig Jahre später wurde der Residenzplatz erneut zum Ort der Mahnung: „Hier stehen wir und gedenken der Bücherverbrennung“, sagte damals Robert Schindel, „indes ununterbrochen in vielen Teilen der Welt Menschen verbrannt werden. Achten wir darauf, dass jene Symbolakte uns nicht und nie den Blick verstellen für die aktuellen Barbareien, die unter unseren Augen geschehen.“

Tatsächlich sind Bücherverbrennungen nicht nur zu erinnern. Die einfache, aber gewalttätige Idee, nicht bloß die Zukunft, sondern auch die Vergangenheit zu zerstören, ist Teil unserer Gegenwart. Tausende unersetzbare Texte aus der Bibliothek und den Museen Mosuls sind erst kürzlich in den Feuern des ‚Islamischen Staates‘ untergegangen. Die antike Stadt Palmyra mit ihrem Baal-Tempel, eine Verkörperung der religiösen Versöhnung und Toleranz, wurde geschliffen. In Dabiq, der vom IS herausgegeben Zeitschrift, werden die Gründe für diesen anachronistischen Ikonoklasmus nicht verschwiegen: „Die kuffār [Ungläubigen] gruben diese Statuen aus und versuchten, sie als Kulturerbe darzustellen.“

Ähnlich lautete 1933 einer der bei den Bücherverbrennungen zitierten ‚Feuersprüche‘: „Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit!“

Den Fehler, Gedanken überhaupt an die zu verbrennende Oberfläche dringen zu lassen, leisten sich ambitionierte Diktaturen heute nicht mehr. ‚The Great Firewall of China‘ heißt inoffiziell das harte digitale Zensurverfahren der Kommunistischen Partei Chinas. Das spart Zeit und schützt das Klima: Nicht-konforme Webseiten, Suchdienste oder selbstveröffentlichte Inhalte müssen nicht brennen – sie werden gar nicht erst geschaffen.

Erinnerung ist wichtig, um das Vergessen zu verhindern. Begnügt sie sich aber mit ihren Rückblicken und bleibt sie immer nur dort, wo etwas war, dann wird sie im kreisenden Leerlauf der eigenen Reproduktion zur Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Eine solche Erinnerung würde ihr „Wieder“ vor das „Aufarbeiten“ stellen – und müsste, um zu überleben, letzeres um jeden Preis verhindern. Aber eben das gilt es zu verhindern.

„Das blutige Rot der Scheiterhaufen ist immergrün. Einen dieser Scheiterhaufen haben wir, mit bloßem Auge, brennen sehen. […] Ich hatte angesichts des Scheiterhaufens nicht aufgeschrien. Ich hatte nicht mit der Faust gedroht. Ich hatte sie nur in der Tasche geballt. Warum erzähle ich das?... Weil, immer wenn von der Vergangenheit gesprochen wird, auch von der Zukunft die Rede ist. ... Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird ,sagte Erich Kästner 1958, dessen eigene Schriften einst in Flammen aufgingen.

Mitschnitte der Festreden – darunter jene von Michael Köhlmeier – Ausführungen zum historischen Hintergrund und zur Erinnerungskultur in der Stadt Salzburg sind im Haus der Stadtgeschichte als DVD erhältlich. Begleitend dazu wurde vom Stadtarchiv ein bebildertes Booklet erstellt.

"Zivilcourage gestern : heute" - Dienstag 30. April ab 19 Uhr im Salzburg Museum, Mozartplatz 1 - der Eintritt ist frei - www.literaturhaus-salzburg.at
Bilder: dpk-klaba