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Hänschen lernt nicht und Hans nimmermehr

SALZBURGER HOCHSCHULWOCHEN

03/08/22 Religiosität nehme nicht einfach ab, sondern sie gehe im Zuge der Säkularisierung und Individualisierung in private Formen von Religiosität und Spiritualität über. Das wird oft behauptet – aber das sieht der Religionssoziologe Detlef Pollack, einer der Referenten bei den Salzburger Hochschulwochen, entschieden anders.

Die Glaubensweitergabe innerhalb der Familie sei der entscheidende Punkt, so der Religionssoziologe aus Münster. „Der Rückgang der Kirchenmitgliedschaft vollzieht sich inter-generationell, nicht intra-generationell“. Kinder würden nicht mehr religiös erzogen und ein kirchlich orientiertes Leben sei in Familien gerade in der Altersgruppe der 16- bis 25-Jährigen stark rückläufig. „Wenn Kinder und Jugendliche Religion nicht mehr familiär kennenlernen, ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass sie später zum Glauben finden.“

Als Tendenzen eines anhaltenden religiösen Wandels benennt der Soziologe die stark zunehmende Entkirchlichung und einen Bedeutungsverlust von Religion im Leben der Menschen ebenso wie eine „Verflüssigung der Transzendenzvorstellungen“. Der Rückgang an kirchlicher Bindung habe nämlich laut Pollack Folgen für das Gottesbild, welches sich von einem (christlich-)personalen hin zu einem a-personalen Verständnis verschiebe. Dieser Trend sei gerade in Europa besonders stark und führe unter anderem dazu, dass die Kirchen nicht mehr in der Lage seien, „ihre theologischen Geltungsansprüche zu erklären“.

Zudem sei der Trend „funktionaler Differenzierung“ ungebrochen, also das Auseinanderfallen der der Gesellschaft in viele autonome Teilbereiche. Für die Religion bedeute dies einen rapiden Bedeutungsverlust. „Religion kann ihre Werte nicht mehr als für alle verbindlich annehmen.“ Neue Formen individueller Religion bzw. gelebter Religiosität seien zwar feststellbar, aber nicht in der Lage, an die Stelle der bisherigen etablierten Kirchen zu treten, so der Soziologe.

Was also können die Kirchen, kann die Religion bewirken? Dafür gab in seinem englischsprachigen Vortrag in Salzburg ein jüdischer Gelehrter einen Denkanstoß. Aktuelle gesellschaftliche Debatten können nach Ansicht des Judaisten Yossi Hayyut Chajes von jüdischen Traditionen profitieren. Komplexe Argumente und Meinungsverschiedenheiten brächten Diskurse nach vorn, erklärte der an der Universität Haifa lehrende Professor für Jüdisches Denken. Gesellschaften sollten lernen, auch das Unvollständige und Lückenhafte wertzuschätzen.

Die Realität sei immer nuancierter als jegliche Ideologien, sagte Yossi Hayyut Chajes. Menschen müssten vor allem in Toleranz und Weltoffenheit geschult und in kritischem Denken angeleitet werden. Da komme den Religionen funktionale Rolle zu. Sie dürften die Welt nicht in schwarz und weiß sehen, sondern könnten die ernsthafte Auseinandersetzung pflegen. Ihr wertvoller Beitrag liege vor allem darin, dass es ihnen im Hier und Jetzt um Mitgefühl gehe.

In den Vorträgen der Erfurter Theologin Julia Knop wurde sichtbar, dass es an diesem „Mitgefühl“ für Andersdenkende gerade im katholisch-innerkirchlichen Dialog ziemlich entscheidend hakt. Den synodalen Dialog in Deutschland, dem der Vatikan unlängst eine wüste Abfuhr erteilt hat, verteidigt die Theologin natürlich. Am Dienstag (2.8.) ging sie auf ein zu erneuerndes Priesterbild ein. „Es geht nicht ohne Amt, aber vielleicht ohne strukturellen Klerikalismus, ohne klerikale Sonderwelten.“

Die Gedankengänge dazu sind seltsam geschraubt. Notwendig sei eine Weiterentwicklung der Amtstheologie, in der das Priesteramt „postklerikal“ zu denken sei, ohne damit zugleich die Katholizität infrage zu stellen. „Das derzeitige Konzept von Amt ist jedenfalls nicht zukunftsfähig. Ich will das Amt deswegen aber nicht abschaffen, sondern es retten", so Knop selbstbewusst bei ihrem Vortrag. Man müsse laut Knop zwischen der Ordination/Priesterweihe, dem "Ordo"/Priesterlichen Stand, der persönlichen Berufung und dem Berufsbild an sich unterscheiden. Sie nennt des Ist-Zustand eine „systemische Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Kirche“.

Dagegen sei sehr wohl eine Kirche denkbar, in der das ordinierte Amt „postklerikal“ erfüllt werde – in Form ordinierter Amtsträger, die hauptamtlich zu ihrem Dienst als Geistliche bestellt sind. „Wenn die priesterliche Identität nicht mehr in der Unterscheidung zwischen Laien und Klerikern gesehen wird, verliert dieser Unterschied seine destruktive Kraft.“ (HSW/KAP/dpk-krie)

Bilder: SHW

 

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