Doch nach Wien und nicht nach Bruck an der Mur!

HINTERGRUND / EISENBAHNGESCHICHTE

12/08/10 Heute, Donnerstag (12.8.) vor genau 150 Jahren wurde die Eisenbahnlinie Wien-München eröffnet. Damit hat die Eisenbahngeschichte in Salzburg begonnen und Sisi konnte fortan auf Schienen zu Besuch fahren heim zu ihrer Wittelsbacher-Familie.

Von Reinhard Kriechbaum

Gerade heute erreichte den DrehPunktKultur die irritierte (und vielleicht auch nicht so ernst gemeinte) Frage eines Lesers aus Deutschland, ob tatsächlich die Salzburger Innenstadt "abgeriegelt" sei, wie er es in irgendeinem saloppen Zeitungsartikel aufgeschnappt hatte. Ob er sich als kulturinteressierter Bahnfahrer, so seine Frage, ernsthaft Gedanken über die Zugänglichkeit der Altstadt machen müsse? Wir konnten den guten Mann beruhigen. Bahnreisende haben seit - auf den Tag genau - 150 Jahren gute Karten in Salzburg.

Heute vor anderthalb Jahrhunderten war also große Bahnhof in Salzburg. Relativ spät, betrachtet man die Verkehrs-Geschichte. Aber das kleine Bundesland Salzburg, damals noch kein halbes Jahrhundert der Monarchie zugehörig, lag deutlich außerhalb des Horizonts der k&k Eisenbahn-Planer. Eigentlich ist ihnen das Wort Eisenbahn zu Salzburg erst eingefallen, als man 1851 einen Staatsvertrag mit Bayern ratifizierte. Da war der Bau einer Eisenbahn von München über Rosenheim nach Salzburg, mit Abzweig nach Kufstein einer der Vertragspunkte. Dafür verpflichtete sich die Monarchie, eine Verbindung von Salzburg nach Bruck an der Mur (!) zu bauen. Das war freilich etwas voreilig versprochen und mit damaligen technischen Mitteln nicht zu realisieren. So hat man diese Vertragspassage bald nachgebessert: 1856 verpflichtete man sich, stattdessen Salzburg über Linz mit der Kaiserstadt Wien zu verbinden. Sisi war eine nahe liegende Patin der künftigen „Kaiserin-Elisabeth-Bahn“, stammte sie doch aus dem bayerischen Königshaus.

Damals wurden Eisenbahnen noch oft privaten Investoren anvertraut. Für die Kaiserin-Elisabeth-Bahn bekam die Konzession der in Schlesien geborene Hermann Dietrich Lindheim, der 1825 dort die erste industrielle Baumwollspinnerei des europäischen Kontinents ins Leben gerufen hatte. Später hatte sich Lindheim der böhmischen Eisenindustrie angenommen. "Im Jahr 1856 beschäftigte er 2.500 Berg- und Hüttenarbeiter, bereits im darauf altfolgenden Jahr verdoppelte sich diese Zahl", schreibt Harald Kammerhofer vom Haus der Stadtgeschichte in einem Aufsatz über das Eisenbahnwesen in Salzburg. Lindheim hat übrigens die Eröffnung der Kaiserin-Elisabeth-Bahn gerade nicht erlebt, er starb im März 1860.

Dass die Bahnlinie innerhalb von nur vier Jahren fertig war, ist erstaunlich. Im Dezember 1958 wurde zwischen Wien und Linz der Verkehr aufgenommen. "Erst jetzt konnte der Abschnitt von Linz nach Salzburg verstärkt in Angriff genommen werden", schreibt Kammerhofer. "Die Arbeitskräfte - für den Juni 1857 wird eine Zahl von über 24.000 genannt -, darunter viele Fremdarbeiter aus Italien und Böhmen, waren davor auf die Strecke Wien-Linz konzentriert worden, um eine rasche Inbetriebnahme dieser zu ermöglichen." 1859 konnte dann der Betrieb auf der Kaiserin-Elisabeth-Bahn von Linz bis Lambach aufgenommen werden, im Februar 1860 folgte die Verlängerung bis Frankenmarkt. Die Route entlang des Wallersees bereitete Schwierigkeiten wegen des Moorbodens.

Wo genau der Salzburger Bahnhof liegen sollte, darüber wurde lange diskutiert und erst spät entschieden: "Schon Karl Ritter von Ghega (1802-1860), der Erbauer der Semmeringbahn, hatte 1850 in seinem Bericht über ein 'westliches österreichisches Eisenbahnnetz' die Anlage des Salzburger Bahnhofes auf dem linken Salzachufer vor dem Sigmundstor (bis 1991 Neutor) befürwortet", schreibt Kammerhofer. Das wäre der nächstgelegene Platz in Stadtnähe gewesen. Andere Bahn-Sachverständige waren eher für Liefering, was wegen der Grenznähe die Militärsachverständigen ablehnten. So kam es dann zum Bau des Hauptbahnhofs dort, wo er jetzt steht.

Am 12. August 1860 legten Kaiser Franz Joseph I. und der bayerische König Maximilian II.  zusammen den Schlussstein in der Vorhalle des Bahnhofsgebäudes. Der Erzbischof von Salzburg, Kardinal Maximilian Joseph von Tarnóczy, war natürlich segnend zur Stelle. Und in den Festansprachen wurde vor allem die internationale und gesamteuropäische Bedeutung der neuen Eisenbahn als Verbindung des Ostens mit dem Westen hervorgehoben. In 36 Stunden kam man damals von Wien nach Paris. Vier Stunden war ein Schnellzug nach Linz unterwegs.

Die gesamte Bahnlinie war damals einspurig, mit Ausnahme zweier kleiner Stücke von Wien in den Wienerwald und im Stadtgebiet von Salzburg, zwischen Hauptbahnhof und Lehen. Aber trassenmäßig geplant und im Unterbau vorbereitet war die zweite Spur schon. 1901 wurde sie ausgebaut.

Nach Hallein kann man von Salzburg aus seit 1871 fahren, und da war man in der Anfangszeit rund eine Dreiviertelstunde unterwegs. 1875 erreichte man über Zell am See erstmals Innsbruck (mit dieser  Bahnlinie ist der Name des Baron Schwarz verknüpft) - und nach elf Stunden war man in der Anfangszeit auch schon dort. 1877 kam man dann auf Schienen erstmals ins Ennstal (nach Stainach-Irdning).

Bilder: InfoZ/Haus für Stadtgeschichte