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Als der erste Christbaum „ruchbar“ wurde

FEUILLETON

23/12/22 Am 24. Dezember 1814 ging's in einem Stadtpalais am Hohen Markt in Wien hoch her: „Frau Münch sang Lieder vom Kasperle. Es wurde durch alle Zimmer ein Umgang gehalten mit den zugeteilten, vom Weihnachtsbaum angenommenen Gegenständen.“

Von Reinhard Kriechbaum

Da war also ein Christbaum „ruchbar“ geworden im Hause des Bankiers Baron Nathan Arnstein, der mit einer Preussin verheiratet war. Diese Art Weihnachten zu feiern, mit Baum und Geschenken, war für Wien neu, wurde aber offensichtlich im Berliner Elternhaus der Fanny von Itzig, verehelichte Arnstein, seit Jahren gepflegt.

Ihr Salon war ein gesellschaftlicher Sammelpunkt, die bessere Gesellschaft in Wien und natürlich auch Teilnehmer am Wiener Kongress waren dort oft zu Gast. Und, nicht verwunderlich in Zeiten des Staatskanzlers Metternich: Auch dessen Spitzel waren dort Stammgäste. Undercover, versteht sich. Wiens bis heute anhaltender Ruf als Metropole der Geheimdienste begann nicht mit dem Dritten Mann. Schade, dass unauffällige Agenten-Kameras damals noch nicht erfunden waren. Historiker und Volkskundler wären froh um Bildmaterial von dieser ersten Wiener Christbaum-Fete.

Es waren dort Staatskanzler Hardenberg, die Staats-Räthe Jordan und Hoffmann, Fürst Radziwill, Herr Bartholdy, alle getauften und beschnittenen Anverwandten des Hauses“, hielten Metternichs Geheimagenten mit Akribie in einem mit 26. Dezember 1814 datierten Protokoll fest. „Fürst Hardenberg amüsierte sich unendlich; Herr von Humboldt war nicht dabei.“

Das (geld)politische Umfeld dieser Begebenheit: Jüdische Familien wie die Arnsteins oder Eskeles waren logischerweise Nutznießer des 1781 erlassenen Toleranzpatents unter Kaiser Joseph II. Freie Religionsausübung war – mit Einschränkungen, was die Außenwirkung anlangte – nun gesichert, und assimilierte Juden konnten allmählich auch ein standesgemäßes Gesellschaftsleben entfalten. Die Arnsteins und Eskeles waren am Kaiserhof freilich schon vorher gefragt gewesen, als Hoffaktoren, also Chefbuchhalter und Finanzmanager in Personalunion. Ab sofort war auch ihr bürgerliches Engagement wohl gelitten. Bernhard Eskeles (in seinem Wiener Stadtpalais befindet sich jetzt das Jüdische Museum) wurde Mitbbegründer der Österreichischen Nationalbank.

Fanny von Arnstein (1758-1818), die den Christbaum in Wien eingeführt hat, machte ihren Salon zu einem Nukleus der besseren Gesellschaft und der Diplomatie. Auch der Geheimpolizei, schließlich kamen hier die „opinion leaders“ Europas zusammen, als es galt, die politische Landkarte nach den napoleonischen Verwerfungen neu zu zeichnen. Fanny von Arnstein stiftete Kriegslazarette, Kranken- und Armenhäuser und setzte sich bei Joseph II. für die Rechte der österreichischen Juden ein. Sie muss nach Zeitzeugenberichten eine fabelhafte Pianistin gewesen sein und zählte 1812 zu den Gründerinnen der Gesellschaft der Musikfreunde. Felix Mendelssohn Bartholdy war ihr Großneffe.

Die Salonkultur, wie sie sich damals in Wien herausgebildet hat, ist wie der Christbaum ein Import aus Berlin. Im Jüdischen Museum ist ein kleines Aquarell ausgestellt, es zeigt vermutlich das Wohnzimmer von Henriette Pereira-Arnstein, der Tochter von Fanny. Auch sie eine begnadete Saloniere.

Auf diesen Stühlen sind nachweislich die Komponisten Beethoven, Mendelssohn Bartholdy und Liszt, die Dichter Grillparzer, Stifter und Brentano gesessen.

Wie ist es mit dem Christbaum weitergegangen in Österreich? Rasant in der besseren Gesellschaft, höchst zögerlich in anderen Bevölkerungsschichten. Der habsburgische Erzherzog Karl heiratete die nassauische Prinzessin Henriette, und die führte 1816, also nur zwei Jahre nach besagter Weihnachtsfeier im Hause Arnstein, den Weihnachtsbaum im Kaiserhaus ein. Rasch begeisterte sich der Adel für den Christbaum, ihm eiferte das gehobene Bürgertum nach. Ab 1830 wurden auf dem Weihnachtsmarkt in Wien die ersten Christbäume verkauft. Das Aufstellen eines Christbaums ist also ein Stadtbrauch, der sich sehr langsam, aber sicher in ländliche Regionen verbreitete. Vom Biedermeier bis in die Zwischenkriegszeit, also über hundert Jahre hat es gedauert, bis der Christbaum endgültig auch in die Bauernstuben entlegenerer Alpentäler vorgedrungen war.

Binnen zwölf Jahren ist der Christbaum auch in Salzburg gelandet, aber nicht als Imitation des Wiener Hof- und Bürgerbrauchs, sondern wie dieser auf direktem Weg aus Deutschland. Der Spitzenhändler Franz Josef Koch war aus Eningen in Württemberg hierher übersiedelt. Die Familie mit zwölf Kindern, wohnhaft am Makartplatz Nr. 11, schmückte 1826 einen Baum, den sie bei ihrem Milchbauern im Leopoldskroner Moos in Auftrag gegeben hatten, mit bunten Ketten, vergoldeten Nüssen, Backwerk und Obst. Kerzen gab es auch schon drauf

Schon im Jahr darauf habe es Nachahmer in der Stadt gegeben, heißt es. Von weiter Verbreitung kann aber wohl keine Rede gewesen sein, denn 1850 schrieb die „Salzburger Post“ über eine öffentliche Kinderbescherung und von der Besonderheit, dass dabei Christbaumkerzen entzündet worden sind.

Für 1825 ist der erste Christbaum in Graz dokumentiert. Ein gewisser Graf Brandis, der den Christbaum im höfischen Bereich in Wien kennengelernt hatte, zündete 1841 das erste Mal in Tirol, in der Innsbrucker Hofburg, Christbaumkerzen an. Der erste oberösterreichische Christbaum stand 1848 in Ried im Innkreis im Hause des Kaufmanns Josef Anton Rapolter.

Mehr über weihnachtliche Bräuche kann man nachlesen in Büchern vom DrehPunktKultur-Herausgeber Reinhard Kriechbaum: Tannenbaum und Bohnenkönig (auch als e-Book) ist im Verlag Pustet erschienen. Das Buch Salzburger Brauch im Rupertusverlag
Bilder: dpk-krie (2); Wikimedia (4)

 

 

 

 

 

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