asdf
 

Der Chef meldet sich zu Wort

HINTERGRUND / BÜCHERVERBRENNUNG / KIRCHE

05/12/11 Über zwei Wochen ist es her, da wurde – wie berichtet – an der Michaelskirche eine Gedenktafel an die Bücherverbrennung auf dem Residenzplatz enthüllt. „Ein notwendiges Zeichen“, bestätigt nun Erzbischof Alois Kothgasser in einer Stellungnahme.

Von Reinhard Kriechbaum

„Erst wenn uns bewusst ist, welches Leid die Zeit des Nationalsozialismus über unser Land gebracht hat, können wir heute den Gefahren einer solchen Ideologie und eines rechtsextremen Gedankenguts wehren“, schreibt der Erzbischof. „Bücherverbrennungen, seien es die der Bibel oder des Koran, die in jüngster Zeit als Zeichen des Protests geschehen sind, müssen entschieden verurteilt werden. Sie sind aber nicht vergleichbar mit jenem ideologischen Kampf, der im Holocaust seinen menschenverachtenden Tiefpunkt erreicht. Der Respekt vor den Opfern dieser dramatischen Ereignisse schließt jede Vergleichbarkeit aus.“

Warum, so mag man nun arglos fragen, zwei Wochen im Nachhinein diese Stellungnahme? Kothgasser holt damit seinen Weihbischof Andreas Laun aus dem Fettnäpfchen, in das dieser beidbeinig gehüpft war. Laun war kirchlicherseits zur Enthüllung geschickt worden und hatte dort eine Rede geschwungen, die den wenigen Anwesenden die Haare zu Berge stehen ließ. Verbreitet hat sich die Sache lange nicht, weil bloß eine Wochenzeitungs-Journalistin leibhaftig da war. Sie sorgte dann dankenswerter Weise doch dafür, dass sich Launs Vergangenheits- und Gegenwartsbetrachtungen herumgesprochen haben.

Andreas Laun hat die Gelegenheit genutzt, laut über Zensur heute nachzudenken: „Wir verlangen ja auch, dass gewisse Inhalte im Internet gesperrt werden.“ Verbrennen – nein, das kann ein heutiger Kirchenmann nun wirklich nicht mehr gut heißen. Auch nicht einer aus dem erkonservativen Eck. Aber, so Laun: „Wir müssen darüber reden, mit welchen Mitteln man sich wehren darf – auch wenn man keine Verbrennung veranstalten würde.“ Wenn man „die Ausschwitz-Lüge unter Gefängnisstrafe“ stelle, müssen man „auch darüber reden, wer entscheidet, was gutes und was gefährliches Gedankengut“ sei.

In einem bisher medial noch nicht beachteten Gastbeitrag des tendenziell fundamentalistischen Internet-Portals „kath.net“ hat Laun gegenüber seiner – milde ausgedrückt – hemdsärmeligen „Festrede“ noch ordentlich nachgeheizt. Da kommt er recht salopp auf die Abtreibung zu sprechen. Er, so Laun, habe auch einmal eine Bücherverbrennung erlebt, vor einigen Jahren in Berlin: Bei einer Pro-Life-Demonstration (einem Aufmarsch von Abtreibungsgegnern), an der er teilgenommen hat, „warf man uns eine brennende Bibel vor die Füße, das heilige Buch der Juden und der Christen!“

Laun im Zitat: „Ich habe nicht gewusst, dass das (gemeint ist die Bücherverbrennung, Anm.) in Salzburg stattgefunden hat. Und jetzt habe ich es gehört und habe mir gedacht: Gut, dass ich’s weiß und schön, dass ich hier eingeladen bin und ein paar Worte sagen darf.“ Die Worte haben sich gewaschen. Einfalt oder sehr bewusstes Polemisieren? Der Wink des Erzbischofs, dass die Nazi-Gräuel „jede Vergleichbarkeit ausschließen“, ist jedenfalls ein Schuss vor den Bug des weihbischöflichen Argumentations-Schiffs.

Ort und Zeitpunkt hat Laun denkbar schlecht gewählt. Was die Unantastbarkeit des Lebens betrifft, hat Laun aber in Kath.Net durchaus im Sinn seiner Firma argumentiert: Wo man Kinder vor der Geburt zur Tötung freigebe, werde man früher oder später auch geborene Menschen töten. „Natürlich zuerst einmal die Alten, und damit hat man ja in manchen Ländern auch schon begonnen. Es gibt gute Gründe zu denken: Man wird die ‚Zielgruppe‘ erweitern, auf andere Menschen hin, die ‚stören‘ oder zuviel kosten. Heinrich Heine hätte die Anwendung seiner Logik auf die heutige Lage wohl für schlüssig gehalten!“

Der „Klar-Text“ von Weihbischof Andreas Laun: www.kath.net

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014