Tötet die Botin!

HINTERGRUND / DISKUSSIONEN UM DIE TRESTERER

29/02/12 Zwar berichten Leute, die dabei waren, von Schreiduellen – aber aus dem Büro von Landesrätin Tina Widmann verlautet dessen ungeachtet, dass die Aussicht auf eine gemeinsame Bewerbung aller Tresterer-Gruppen um Aufnahme auf die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes „in greifbarer Nähe“ stehe.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie berichtet, ist in den vergangenen Tagen die Diskussion um die Tresterer eskaliert. Ulrike Kammerlhofer, eine renommierte Volkskundlerin und Leiterin des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, hatte darauf hingewiesen, dass Erklärungen zum Tresterer-Brauch auf den Websites einiger Vereine nicht ganz koscher seien.

Die Figuren des Tresterer-Tanzes kommen aus dem Venezianischen Fasching. Ausseer „Flinserl“, die Ebenseer „Fetzen“ und einige Figuren von Tiroler Fasnachtsbräuchen haben ähnliche Wurzeln. Auch die Tresterer gingen früher einmal im Fasching um. Politisch motivierte „Forschungen“ in der NS-Zeit, die auf eine einschlägige Interpretation des „Ahnenerbes“ aus waren, wollten hingegen germanische Wurzeln aufspüren. Diese längst widerlegte Sicht auch auf den Tresterer-Brauch wird immer noch manchmal unreflektiert nachgebetet.

Der Vorwurf, Nazi-Gedankengut zu verbreiten, ist den Pinzgauer Tresterern von Stuhlfelden, Zell am See und Unken sauer aufgestoßen. Der Tonfall der Diskussionen ist eskaliert. Eine Pinzgauer Landtagsabgeordnete hat in dem Gespräch mit Landesrätin Tina Widmann, das eigentlich der Kalmierung hätte dienen sollen, allen Ernstes die sofortige Entlassung der Wissenschaftlerin Ulrike Kammerhofer und die Schließung des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, sowie die Zurücknahme von Kammerhofers Perchten-Aufsätzen gefordert, „was schon hätte nach der CD-ROM ‚Bräuche im Salzburger Land‘ und der Perchtentagung im Pinzgau hätte passieren sollen“.

Das Motto also: Die Botschaft ist schlecht, tötet den Boten. Ulrike Kammerhofer hat, wie sie die Vereinsmitglieder und Beiräte des Landesinstituts für Volkskunde hat wissen lassen, dieses Gespräch als „eine dramatische Drohung der Tresterer und der Politik“ an sie selbst verstanden. Sie habe sich „nach drei Stunden darauf eingelassen“, öffentlich zu erklären, dass sie „keiner Person und keinem Verein ein wissentliches und willentliches Weitertragen von NS-Gedankengut unterstelle, über die Inhalte und ihre Hintergründe aber Gespräche notwendig“ seien. Das sei aber von den Pinzgauer Politikerinnen abgelehnt worden.

Die Beharrlichkeit, mit der sich Pinzgauer Brauchtumsgruppen neueren volkskundlichen Erkenntnissen verschließen, macht Staunen. Der Tonfall im Umgang miteinander – auch jener zwischen der in Grödig ansässigen Tresterer-Gruppe „Alpinia“ und den Pinzgauer Vereinigungen, ebenfalls. Da wird – so berichtet der Fotograf Walter Schweinöster gegenüber dem DrehPunktKultur – von Alpinia-Vorstand in Richtung der Pinzgauer Gruppen von „braunen Radikalen“ gesprochen, und auch die Gegenseite ist nicht mundfaul. Vorerst haben sich jedenfalls die Alpinia-Tresterer um Aufnahme des Brauchs in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts bemüht, und sie haben ihren Antrag nicht zurückgezogen. Die für Volkskultur zuständige Landesrätin Tina Widmann will eine gemeinsame Einreichung sehen: Das würde die „Bedeutung des Tresterer-Brauches unterstreichen und den vielen engagierten Ehrenamtlichen, die diesen Brauch leben und weitergeben, jene Wertschätzung zukommen lassen, die sie verdienen". Das derzeitige Gezänk jedenfalls ist ein gar sonderbares Schauspiel.

Zum Stichwort „Braune“ Tresterer?