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Keine Front, und doch mitten im Krieg

HINTERGRUND / ZEITGESCHICHTE

18/04/13 „Wir haben alle nicht die Ressourcen, das Pferd zwei Mal aufzuzäumen“ sagt Oskar Dohle, Historiker und Chef des Salzburger Landesarchivs. Darum machen mehrere Institutionen gemeinsame Sache, wenn es nächstes Jahr gilt, Salzburg und den Ersten Weltkrieg aufzuarbeiten.

Von Reinhard Kriechbaum

0582014 wird es hundert Jahre her sein, dass der Erste Weltkrieg ausgebrochen ist. In Wien und in Niederösterreich wird es große Ausstellungen dazu geben. Aber wenn Oskar Dohle sich bei seinen Historiker-Kollegen umhört, so zeigt sich, dass Salzburg besonders gut aufgestellt ist in der zeitgeschichtlichen Aufarbeitung. Das Salzburg Museum, das Landesarchiv, das Archiv der Erzdiözese und die Universität Salzburg haben den Schulterschluss gesucht. Das Projektbündel wurde heute Donnerstag (18.1.) in einem Pressegespräch vorgestellt.

060„Krieg, Trauma, Kunst. Der Erste Weltkrieg 1914-1918“ wird eine große Ausstellung im Salzburg Museum heißen. Sie wird ab Mai 2014 den Platz der derzeitigen Schau „Ars sacra“, also den gesamten ersten Stock in der Neuen Residenz einnehmen. „Eine gute Gelegenheit, die Vielfalt der eigenen Sammlungsbereiche zu zeigen“, sagt Direktor Martin Hochleitner. Kuratorin der Schau ist Susanne Rolinek, die derzeit im Salzburger Museum mit Restitutionsforschung befasst ist. In der Ausstellung sollen künstlerische Bezüge zahlreicher österreichischer Künstler und Autoren (Anton Faistauer, Oskar Kokoschka, Stefan Zweig, Friederike Zweig, Georg Trakl, Hugo von Hoffmannsthal…) betrachtet werden, aber auch der Alltag soll anschaulich aufbereitet werden: etwa die anfängliche Kriegsbegeisterung, die in Anbetracht der Mangelversorgung, schlechter Wirtschaftslage, vieler Gefangener, Seuchen und Desorientierung nach dem Krieg zu einem verheerenden Trauma für viele Salzburger mutierte. „Die Polititisierung der Gesellschaft durch die Mangelsituation und das individuelle und kollektive Trauma war enorm“, sagt Susanne Rolinek.

Es soll in den Salzburger Vorhaben zum zeithistorischen Jubiläum nicht um eine „Kriegsgeschichte“ gehen, sondern darum, wie der Krieg sich in Salzburg niedergeschlagen, welche Auswirkungen und Folgen er gezeigt hat. Oskar Dohle, der gemeinsam mit Thomas Mitterecker (Archiv der Erzdiözese) ein wissenschaftliches Begleitbuch herausgeben wird, hebt diesen regionalen Blickwinkel hervor: „Salopp gesagt: Es war für eine Salzburger Familie egal, ob der Vater in Russland oder an der Isonzo-Front gefallen ist.“

059Die Auswirkungen seien auch im Binnenland, das von keiner Kriegsfront unmittelbar berührt wurde, gewaltig gewesen. In Grödig gab es eines der größten Kriegsgefangenenlager der Monarchie. In den Kriegsjahren waren bis zu 10.000 Menschen – Gefangene, Umgesiedelte, Flüchtlinge – in Salzburg angehalten. „Salzburg im Ersten Weltkrieg. Fernab der Front – dennoch im Krieg“ wird das 450 Seiten starke Buch heißen, das im Juni 2014 Böhlau Verlag erscheinen wird.

Unter dem Titel „Hat die Moderne versagt? 1914 anders gesehen“ widmet sich die Universität Salzburg gemeinsam mit der Universität Wien in einer Ringvorlesung mit insgesamt 13 Vorträgen dem Thema. Dazu Klemens Renoldner vom Stefan Zweig Centre: Die Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg seien geprägt gewesen von einem gewaltigen Umbruch in Kunst und Kultur. Und doch seien auch viele Künstler – selbst Karl Kraus – mitgerissen worden von der Kriegsbegeisterung. Für Stefan Zweig habe die Zeit eine radikale Wende bedeutet, er sei „vom Literatur-Dandy zum leidenschaftlichen Pazifisten gereift“, so Renoldner.

Bilder: Salzburg Museum

 

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