Eine neue Lernkultur ist möglich

 

INTERNATIONALE PÄDAGOGISCHE WERKTAGUNG

11/07/14 Sich auf das „Mehr“ in den Dingen des alltäglichen Lebens einzulassen, dazu ermutigte die Kindheitsforscherin Donata Elschenbroich am vierten Tag der Internationalen Pädagogischen Werktagung in Salzburg.

„Alltägliche Dinge, wie zum Beispiel eine Wäscheklammer, können wunderbare Lehrer für Kinder sein, meinte Elschenbroich. „Das Kind sucht sich selbst eine Aufgabe, weil es etwas wissen und erforschen will. Wenn es diese Aufgabe selbst lösen kann, bringt ihm das ein unglaubliches Glücksgefühl.“

Donata Elschenbroich war viele Jahre am Deutschen Jugendinstitut München auf dem Gebiet der international vergleichenden Kindheitsforschung tätig. Sie gilt als Expertin für Bildung in frühen Jahren. Ein Bestseller: „Weltwissen der Siebenjährigen“.

Im Hinblick auf die Kreativität meint die Münchnerin: „Je mehr man von der Welt weiß, desto interessanter wird sie. Und je mehr man kann, desto kreativer kann man sein.“ Deshalb plädiert Elschenbroich für die Familie als Bildungsort, da dies ganz wesentlich für den Bildungserfolg sei. Damit in Zusammenhang stehe klarerweise die Kommunikation innerhalb der Familie. Leider komme diese oft zum Erliegen, wenn die Kinder in den Kindergarten oder in die Schule kommen. Deshalb biete es sich an, die Familienkommunikation über die Alltagsdinge anzustoßen. Über die Resultate weiß Elschenbroich, die zu diesem Thema auch zahlreiche Dokumentarfilme produziert hat, nur allzu gut zu berichten: „Die Eltern sind oft gerührt vom kreativen Umgang der Kinder mit scheinbar unscheinbaren Dingen.“

Den zweiten Vortrag am Donnerstag (10.7.) Vormittag hielt die Leiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ) Margret Rasfeld gemeinsam mit den beiden Schülerinnen Alma de Zarate (14) und Ivi Kussmaul (15). Rasfeld brachte dem Publikum die Lernkultur der ESBZ, die bereits von vielen anderen Schulen übernommen wurde, näher. Die Berliner Schulleiterin steht mit ihrem Team für einen Paradigmenwechsel im Bildungssystem. Im Zentrum stehen selbstbestimmte Lernprozesse, Lernen im Leben an ernsthaften Aufgaben, Vertrauen in die Potenziale der Menschen und Wertschätzung. „Lernen funktioniert über Beziehung, deshalb verbringt bei uns ein Lehrer mehr Zeit mit weniger Schülern. Unser heimlicher Lehrplan heißt Herzensbildung“, berichtet Rasfeld. Die alten Schulstrukturen wurden in der ESBZ komplett umgekrempelt, erzählte die Schülerin Alma de Zarate: „Der Frontalunterricht wurde fast abgeschafft und die Schule passt sich an uns an. Wir können uns aussuchen, was wir lernen wollen.“ Dazu ergänzt Ivi Kussmaul: „Jeder kann in seinem eigenen Tempo arbeiten. Die Zeit wird so viel besser genützt.“ In „Schulfächern“ wie Verantwortung, Herausforderung und Zukunft übernehmen Schülerinnen und Schüler Aufgaben im Gemeinwesen, wie zum Beispiel als Sprachbotschafter für andere Kinder in sozialen Brennpunkten oder sogar als Experten für Lehrer-Fortbildungen. Kritikern dieser außergewöhnlichen Schulform kann Rasfeld die überdurchschnittlich hohen Abiturnoten entgegenhalten. (IPW)

www.bildungskirche.at/Werktagung; Website der ESBZ: www.ev-schule-zentrum.de
Bilder: Katholisches Bildungswerk Salzburg