Was ein Stück Stacheldraht erzählt

LANDESARCHIV / AUSSTELLUNG ZWANGSARBEITER

24/10/14 Als der Salzburger Gletscherforscher Univ.-Prof. Heinz Slupetzky in der Nähe der Rudolfshütte ein verrostetes Knäuel Stacheldraht entdeckte, war ihm die Herkunft wohl nicht gleich bewusst. Es ist ein Relikt eines Lagers für Zwangsarbeiter, vom Arbeitskommando Weißsee des Konzentrationslagers Dachau.

Da und dort finden sich an Bauwerken Erinnerungstafeln, die auf die Rolle von Zwangsarbeitern in der Nazi-Zeit hinweisen. Etwa an der Staatsbrücke in der Stadt Salzburg. Ein Buch und eine Ausstellung im Salzburger Landesarchiv ergänzen das Thema um einen weiteren Aspekt: „Sklaven für Krieg und Fortschritt – Zwangsarbeit und Kraftwerksbau in Salzburg 1939 bis 1945“

Im damaligen Reichsgau Salzburg fehlten strukturbedingt große Rüstungsbetriebe fehlten, erklärt Gerda Dohle, die gemeinsam mit ihrem Gatten Oskar Dohle für das die Ausstellung begleitende Buch verantwortlich zeichnet. Daher kamen während des Zweiten Weltkrieges Kriegsgefangene, „zivile“ ausländische Arbeitskräfte und KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter vor allem in der Landwirtschaft und beim Bau von Kraftwerken und wichtigen Straßenverbindungen (Reichsautobahn) zum Einsatz. Ab Herbst 1944 wurden sie nach Luftangriffen unter Lebensgefahr auch zu Aufräumungsarbeiten und zur Beseitigung nicht explodierter Fliegerbomben herangezogen. „Während in der Landwirtschaft Zwangsarbeiter zumeist bei ihren Arbeitgebern wohnten, waren sie auf den großen Kraftwerksbaustellen in Lagern untergebracht, die sich teilweise in hochalpinem Gelände befanden und nur unzulänglich als Unterkunft über das ganze Jahr, also auch im Winter, geeignet waren. Viele dieser Sklavenarbeiter wurden Opfer der menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen“, so Gerda Dohle.

Besonders schlimm war das Schicksal der aus Osteuropa verschleppten KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, „da sie auf Grund der verbrecherischen NS-Rassenideologie ungleich schlechter behandelt wurden als Arbeitskräfte aus Westeuropa. Sie galten als minderwertig“, so die Koautorin.

Viele Abbildungen von Archivalien und vor allem bisher unveröffentlichte historische Fotografien von den hochalpinen Baustellen vermitteln ein beklemmendes Bild der Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser oftmals aus ihrer Heimat verschleppten Sklavenarbeiter.

„Das Buch und die Ausstellung tragen dazu bei, dass die Leistungen der NS-Sklavenarbeiter und das an ihnen verübte Unrecht über die Fachwissenschaft hinaus einer möglichst breiten Öffentlichkeit bekannt werden“, sagt Oskar Dohle, der Leiter des Landesarchivs. Ein Ziel des Buches sei eine erste Basisinformation für Archivbenutzerinnen und -benutzer, die sich mit diesem komplexen Thema beschäftigen. „Damit soll dieses Buch über das Ende der Ausstellung hinaus seinen wissenschaftlichen Wert für die Zeitgeschichtsforschung beibehalten.“

„Die Publikation ist zudem ein Quellenband zum Thema Zwangsarbeit im Nationalsozialismus im Bundesland Salzburg“, erklärte Dohle. Das Buch enthält auch einen Überblick über die Tätigkeit des Salzburger Landesarchivs von 2000 bis 2004 als Clearingstelle im Sinne des Versöhnungsfonds-Gesetzes für die Entschädigungszahlungen für ehemalige Sklavenarbeiter während der NS-Zeit. (LK/dpk-krie)

Zwei Ausstellungen sind derzeit im Landesarchiv zu Bürozeiten zu sehen: „Alpen unter Strom – L'energia delle Alpi“ ist eine Wanderausstellung der Arge-Alp (bis 19. Dezember im Sonder-Leseraum). Bis April 2015 wird im Foyer die Schau „Sklaven für Krieg und Fortschritt“ präsentiert. Dazu gehört das gleichnamige Buch, Nummer 23 in der Schriftenreihe des Landesarchivs. – www.salzburg.gv.at
Bilder: Salzburger Landesarchiv