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Vom Mühlrad zur Kunstmühle

DOKUMENTATION / LEHEN / RAUCHMÜHLE (1)

22/12/14 Das Bauensemble der Fißlthaler Mühle heutige Rauchmühle in Lehen. Die Salzburger Kunsthistorikerin Jana Breuste hat sich in einem zweiteiligen Beitrag diesem seltenen Salzburger Industriedenkmal gewidmet, dessen Teilabriss und Entkernung bevorstehen.

Von Jana Breuste

Kasernen, Kraftwerke, Mühlen, Lagerhäuser, Häfen, Bahnhöfe sowie Hospitäler sind in vielen Städten heute die letzten Räume für großflächige Planungen. Sie bieten neben der Schaffung von Wohnraum großartige Chancen diese vormals der Öffentlichkeit vorenthaltenen, aber doch zu Identifikationsorten gewordenen Areale durch kulturelle und andere Nutzungen zugänglich zu machen. Oft liegen sie in benachteiligten Quartieren außerhalb oder am Rande behüteter Altstädte. Ihre Potentiale auszuloten, den Baubestand in seiner Bedeutung und Entwicklungsfähigkeit für eine ressourcenschonende Umnutzung einzuschätzen steht daher am Anfang jeglicher Entwicklungsprozesse.

Alte Diakonie, Riedenburgkaserne, Panzerhalle, Gusswerk, Stadtwerk, Hauptbahnhof, Priesterhausgarten und Sternbrauerei - an Beispielen großräumlicher innerstädtischer Nachverdichtungen mangelt es in der Stadt Salzburg nicht. Wie zukunftsfähig und ressourcenschonend der Baubestand dabei allerdings weiterentwickelt wurde und werden soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Eigenartig mutet die in Salzburg offenbar gängige Praxis an, welche die Entwicklung von Masterplänen von solchen Arealen vor die Einbeziehung der Öffentlichkeit und Studien zur Baugeschichte stellt. Letztere werden nur in Ausnahmefällen beauftragt. Auch beim Beispiel Fißlthaler Mühle lagen bereits ein Restrukturierungsvorschlag und ein Leitbild vor, bevor das bauhistorische Gutachten beauftragt wurde. Die in die Position der Anfechtung kostenintensiver Vorplanungen gedrängte Studie wird auf diese Weise zu einem Papier, das allenfalls Kompromisse erzielen kann, nicht aber den Ausgangspunkt der Ideenfindung bildet. Die Empfehlungen der Studie bleiben angesichts von Teilabrissen und Entkernungen in großen Teilen unbeachtet und sollen daher hier zusammen mit der Baugeschichte des Areals erläutert werden.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts war der heute am dichtesten besiedelte Stadtteil Lehen ein spärlich bebautes Überschwemmungsgebiet mit wenigen landwirtschaftliche Höfen und einer Gruppe von Anwesen, welche die Wasserkraft des vermutlich im 14. Jahrhundert von der Glan abgezweigten Glanmühlbachs (auch Gailenbach) nutzten. Die Weilergruppe um die Fißlthaler Mühle, Annahof und Lürzerhof bildete neben dem Eitzenbergerhof (heutiges Literaturhaus) den historischen Kernbereich. Durch die Errichtung der Bahntrasse 1860 und des Frachtenbahnhofs 1890 erlebten Industrie und Gewerbe besonders am Glanmühlbach (Fißlthaler Mühle, Kunstwollfabrik Gschnitzer und Gessele, Lederfabrik Hager-Hofmann, Andeßner`sches Sägewerk) einen Aufschwung.

Die seit 1330 nachweisbare, sogenannte Astmühle, die seit 1804 im Besitz der Familie Fißlthaler stand, zählte bereits 1842 zu den drei größten Mühlen des Landes. Aus der Zeit bis 1830 datieren die Marmorbank südlich des Portals über dem ein Rundmedaillon mit der Reliefplastik der Mutter Gottes mit dem Jesusknaben angeordnet ist. Der Müller Franz Fißlthaler (1845-1916) baute den Bestand nach den neuesten Erkenntnissen in der Mühlenbautechnik in Etappen zu einem gründerzeitlichen Industriekomplex um. Durch die Ergänzung von Transmissionen 1879 und den Einbau von Metallwalzenstühle 1883, die mit Veränderungen des Baukörpers einhergingen, wurde sie zu einer sogenannten Kunstmühle (der Wortteil „Kunst“ ist von der Ingenieurskunst abgeleitet). Als funktionelles, nicht-repräsentatives Bauwerk wies sie wenige architektonische Stilmerkmale (Bänderungen und Unterschiede in Putztextur und -farbe) auf, die sie in den Kontext anderer Industriebauten der Zeit (Stieglbrauerei) stellen.

1890 baute Fißlthaler westlich ein Maschinenhaus an, um den Antrieb der Mühle durch eine Dampfmaschine zu verstärken. Ein höheres Kesselhaus akzentuierte die Mitte des Flügels. 1987 wurde das Gebäude wesentlich erhöht.

In einer Zeit der wirtschaftlichen Stagnation hatte der wagemutige Fißlthaler bereits 1877 ein nördlich gelegenes Sägewerk (Andeßner Sägewerk) erworben, um die Wasserkraft des Glanmühlbaches unter Nutzung des Gefälles mittels einer Turbine verstärken zu können, die erst 1896 in dem eingeschoßigen südlich an die Mühle angefügten Turbinenhaus positioniert wurde.

Aufgrund der gut gehenden Geschäfte engagierte Fißlthaler 1898 den bedeutendsten Baumeister der Stadt Jakob Ceconi für den Bau eines in Analogie zum Maschinenhaus östlich an das Mühlegebäude anschließenden Wohn- und Bürohauses. Die neoklassizistisch-neobarocke Fassadengestaltung ist typisch für die Architektur des Historismus. Korridore und Stiegenhaus sowie einige der Zimmer zeigen noch originale Fenster, Türen, Fliesen- sowie Parkettböden und reichen Wand- und Deckenstuck. Das Gebäude wurde 2002 unter Denkmalschutz gestellt. Die Würdigung und damit Unterschutzstellung des gesamten Baubestands als ein für Salzburg seltenes Beispiel der direkten Kombination von repräsentativer Villenarchitektur und benachbartem Industriebetrieb blieb aber aus.

Durch die Enteignung seines Güterbahnhofes mit Lagerräumen 1911 war Fißlthaler veranlasst zum Bau eines Silogebäudes. Die neben der Firma Ceconi bedeutsame Baumeisterfirma P. & A. Crozzoli stellte es 1912 fertig. Die Lage des Gebäudes war bestimmt vom Glanmühlbach, über dem die Lasten nicht zu stehen kommen durften. So fügte es sich etwas versetzt nördlich an das Mühlengebäude an. Neben 12 Holzsilos für Getreide und Mehl waren hier auch eine Getreidereinigungsanlage mit Schnecken, Elevatoren und Aspirateuren sowie Lagerböden untergebracht. Die Holzkonstruktionen der Geschoßdecken und Träger sind - zum Teil durch zusätzliche Holzstützen ergänzt - noch heute erhalten. Mittels acht schmalen und hohen Bögen wurde die Westfassade gegliedert und gleichzeitig die Position der Silos und der Getreidereinigung (mit Fenstern) veranschaulicht. Der darauf aufsitzende, mittig erhöhte Gebäudeteil zeigt die Lage von Elevatoren und Silobefüllungsanlagen an. Später kam es zur Aufstockung und zum Einbau von Betonsilos im Bereich der Getreidereinigung. Kubatur, Farbe, Putzarten und Gliederung glichen der schlichten Gestaltung des Mühlengebäudes.

Auch unter den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen nach dem Ersten Weltkrieg investierten Fißlthalers Nachkommen: 1918 ersetzten Elektromotoren die Dampfmaschine, 1924 wurde unter großem internationalen Aufsehen die erste elektrische automatische Feuermeldeanlage in einer Mühle in Europa installiert, 1925 ein ebenfalls seltenes betriebseigenes Feuerwehrdepot mit Schlauchturm und 1922 das Industriegleis errichtet (beide abgerissen), welches das Getreide nun unmittelbar bis zum Silo anliefern konnte (Reste davon im Lokschuppe und im Gleiswaage-Schuppen).

Der Innsbrucker Mühlenunternehmer Leopold Rauch kaufte den 1933 Konkurs gegangenen Betrieb. Auf dem Areal der modernisierten Mühle wurde 1939 bzw. 1946 ein ehemaliger Schweinestall zum Gefolgschaftshaus umgebaut. Mit dem Bau zweier 53m hoher Getreidesilos 1977 bis 1982, eines Verladelagers und Mehlsilos wurde sie zum zweitgrößten Mühlenbetrieb im österreichischen Alpenraum und zur größten Mühle im Land Salzburg. Diese Erweiterungen des Ensembles wurden in der Studie als nicht erhaltenswert eingestuft. 2011 wurde der Betrieb stillgelegt, woraufhin eine Phase der Suche nach neuen Nutzern folgte. So war die Mühle 2013 Veranstaltungsort einer Ausstellung der Salzburger Pfingstfestspiele. (Wird fortgesetzt)

Bilder: Jana Breuste / bingmaps (1) / Archiv der Famile Rauch (1)
Zum Kommentar Ohne Rauch geht’s nicht!
Zum zweiten Teil der Dokumentation Es ginge um ein Stück Lehen-Identität

 

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