Die Panzerhallenknacker

HINTERGRUND / STADTPLANUNG / STRUBERKASERNE (1)

01/04/15 Weder Denkmalamt noch Stadtplanung gewährten der räumlich und als Holzkonstruktion außergewöhnlichen „Panzerhalle“ der ehemaligen Struberkaserne rechtzeitig Schutz. Dann kündigte der Projektentwickler an, die Halle „zur Gänze“ zu erhalten. Dafür schenkte die Stadt dem Investor zusätzlich tausende bebaubare Quadratmeter Neubauvolumen. Der schenkte sich dann die Erhaltung.

Von Norbert Mayr

Nur mehr ein paar Prozent sind alte Bausubstanz. Die Demontage der historischen Panzerhalle in der einstigen Struberkaserne ist ein Prozess, der die fatal sich wiederholende Fehlentwicklung bei der Nachnutzung historischer Ensembles in Salzburg spiegelt. Engagement und Kompetenz für die Baukultur des 20. Jahrhunderts sind bei m Bundesdenkmalamt und der Stadtplanung sehr eingeschränkt vorhanden. Beide reagieren auf Hinweise auf die Bedeutung von Bauwerken – wenn überhaupt – zu spät und vergeben damit die Chance für geordnete Umnutzungen.

Im Altstadtkern gibt es teils übertriebenen Schutzeifer, „draußen“ hingegen Tabula rasa: Das „Salzburger Stadtzerstückelungsmodell“ ist eingespielt. So fällt der öffentliche Ort Riedenburghalle (1926) – trotz Bewertung „erhaltenswert“ durch die Stadtplanung – einer künftigen Wohnsiedlung zum Opfer. Das Industriedenkmal Rauchmühle wurde vom Landeskonservatorat ignoriert. Der langjährigen Forderung bei diesem Bauensemble, vor dem Wettbewerb für ein Wohnquartier eine bauhistorische Expertise zu erstellen, entsprach die Stadtplanung viel zu spät. Dieses Gutachten bestätigt, dass das „Alte Silogebäude“ (1912) unbedingt erhaltenswert ist, stört aber den mittlerweile erstellten Masterplan. Der Silo wurde zum Abriss freigegeben.

Wer vor dem in den letzten Jahren erfolgten radikalen Um- bzw. Neubau die Panzerhalle in der Struberkaserne betreten und das großzügige Hallenensemble und seine Holzkonstruktion bewundern konnte, wunderte sich, dass es nicht unter Schutz stand. Diese Nagelbinderkonstruktion, die minimalen Materialeinsatz mit hohen Spannweiten verbindet, war über die Landesgrenzen hinaus bau- und architekturhistorisch von Bedeutung.

Heute verweist bereits von der Ferne die stark durchlöcherte Dachhaut auf die traurige Tatsache, dass die Panzerhalle den Großteil ihrer Bausubstanz sowie durch zahleiche Einbauten ihre räumliche Großzügigkeit verlor. Die Räumlichkeiten der vier Kompartimente – darunter eine große, dreischiffige Haupthalle, rund 44 Meter breit, 16 Meter hoch – verbargen sich nicht nur unter dem großen, lagernden Walmdach der Heimatschutzarchitektur, sie waren als Teil der Kaserne der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Erst nach dem Verkauf stieg die Bekanntheit der Panzerhalle: Sie galt der besonderen Atmosphäre wegen – etwa mit der „Die Welle 1 Birthdayparty“ 2010 - als gefragteste und exklusivste Event Location Salzburgs.

Die Experten, die in den 1980er und 1990 Jahren im Auftrag des damaligen Amtes für Stadtplanung die Erhaltungswürdigkeit von vor 1945 errichteten Bauten in der Stadt Salzburg überprüft hatten, konnten die Struberkaserne als militärisches Sperrgelände nicht bearbeiten. Die Aufforderung an Stadtplanung bzw. -politik, dringend das entsprechende Gutachten nachzuholen, fand kein Gehör, weder vor noch nach dem Verkauf der Struberkaserne 2007.

Auch das Bundesdenkmalamt wurde bereits vor dem Verkauf auf das einzigartige Gebäude hingewiesen. So fand die Panzerhalle zwar Eingang in das Symposium „Erbe verweigert - Österreich und NS-Architektur“ im Architekturzentrum Wien am 15./16. September 2006, ein Schutz wurde ihr aber verweigert.

Die Ignoranz der Fachorgane wurde nicht von allen geteilt. Beim vorzeitig abgebrochenen Workshop-Prozess „Bebauung Struberkasernengründe“ 2008 formulierten die Anrainervertreter folgendes Ziel: „Der beabsichtigte Abriss der Panzerhalle wäre eine verschenkte Chance, da hier ein Zeitdokument und ein für den Stadtteil prägendes Gebäude wirtschaftlichen Interessen geopfert würde. Die Halle könnte einen einzigartigen Standort für Kulturveranstaltungen oder auch für Betriebe abgeben.“

Nach Jahren des Desinteresses an einem Gutachten bzw. einem Schutz reagierte die Stadtplanung in letzter Sekunde auf die Bedeutung der Halle und bot beim Wettbewerb zur Verbauung der Struberkaserne Anfang 2010 einen Kuhhandel für Erhaltungswillige an: „Bei Erhalt von mindestens der Hälfte der Panzerhalle soll die Baumasse, die ohne Erhalt der Panzerhalle bei einer BMZ von 4,0 realisierbar wäre, als Neubauvolumen zusätzlich zur bestehenden Baumasse möglich sein.“

Anfang 2011 wurde Marco Sillaber kontaktiert, da er beim Gusswerk die nicht denkmalgeschützte Bausubstanz respektvoll weiterentwickelt hat. Sillaber kaufte mit einem Partner als „Panzerhalle BetriebsgmbH“ die Halle, die – so seine mehrfache Aussage - „zur Gänze erhalten werden“ soll (ORF, Salzburg heute, 20.3.2012). Er versprach hoch und heilig, den innenräumlich beeindruckenden Hallenkomplex mit seiner eleganten Nagelbinderkonstruktion zu erhalten und zu adaptieren, schwärmte gar vom Einsparungspotenzial gegenüber einem Neubau.

„Die Panzerhalle [...] bleibt Salzburg erhalten“, die Einreichung findet am 14.3.2012 „die volle Zustimmung im Gestaltungsbeirat [...]. Das präsentierte Projekt könne eine absolute Bereicherung, ein positiver Brennpunkt im neu entstehenden Quartier werden, ist Architekt DI Peter Riepl, Vorsitzender des Gestaltungsbeirats, überzeugt. […] CS-Architektur, hobby a., LP architektur und Strobl Architekten haben gemeinsam als ‚ARGE Panzerhalle’ die Entwürfe vorgelegt. Tatsächlich bleibt das gesamte Objekt mit seinen vier Bauteilen und einer Gesamtlänge von 177 Metern in ursprünglicher Gestalt und im Bestand erhalten; die Revitalisierung zur Umnutzung stärkt die bestehenden Qualitäten, etwa durch Offenlegung der Tragkonstruktion, und erhält den Charakter des Bauwerks. Eingriffe an der Außenseite betreffen lediglich das Dach, das durch Fenster und eingeschnittene Loggien als „fünfte Fassade“ und zur Belichtung der innen eingezogenen Geschosse fungiert. Für Durchlässigkeit im Grundgeschoss sorgen zudem Glasflächen an beiden Längsseiten – damit öffnet sich das Gebäude auch zum Park des neuen Wohnquartiers. Da die Etagen zur Neunutzung des Innenraums nicht vollflächig eingezogen werden, entstehen hier große Lufträume und Lofts im ursprünglichen Sinne des Wortes: Speicher- oder Industriehallen werden in eine andere Nutzung überführt“.

Es sollte ganz anders kommen: nämlich plötzlich ein skrupelloser Abriss. (Wird fortgesetzt)

Bilder: Norbert Mayr
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