Und am Ende: Ur-stolz auf dieses Land!

IM WORTLAUT / DACHVERBAND / SALZBURG 20.16

29/06/15 Wie man in Salzburg Kultur(politik) macht, wie Leitungsposten besetzt werden, wo das Geld herkommt: Am Fallbeispiel „Salzburg 20.16“ hat das der Dachverband Salzburger Kulturstätten pingelig zu einer Chronik zusammengestellt – mit Option auf „Chronique scandaleuse“. Wir dokumentieren diese heute Montag (29.8.) in einem Pressegespräch publik gemachte Auflistung im Wortlaut.

 

Sommer - Winter 2013: Ka Göd, oba Musi Patscherter hätte man es nicht anstellen können, oder? Trotz Finanzskandal und Budgetkrise beschließt die neue Salzburger Landesregierung aus ÖVP, Grüne und Team Stronach laut Koalitionspakt im Juni 2013 nach zwanzig Jahren wieder Landesausstellungen durchzuführen. Man entdeckt Salzburgs Zugehörigkeit zum Kaisertum Österreich (die hat vor 200 Jahren begonnen) und will das ein Jahr lang feiern.

Vorläufig weiß fast niemand davon, jedoch sickert kurz vor Weihnachten 2013 die Information durch und löst Irritation aus, heißt es doch zeitgleich ständig, dass angesichts von Schulden in schwankenden Höhen von 350 oder vielleicht 765 Millionen bzw. 1,3 oder doch 1,5 Milliarden Euro – die tatsächliche Verschuldung kennt scheinbar niemand – das Land drastisch sparen müsse; auch das Wort Kürzung fällt wiederholt, kein Bereich bliebe verschont. Vorschläge aus dem Dachverband Salzburger Kulturstätten wie etwa eine zweckgebundene Tourismus-Kulturtaxe (siehe z.B. in Hamburg und Köln) werden abgelehnt, alle müssten jetzt sparen. Aber woher nimmt man dann das Geld – man hört von Millionen – für „Salzburg 20.16“? Und wer will dieses Jubeljahr überhaupt?

Winter 2014: Gute Kommunikation sieht anders aus Wie später bekannt wird, ruft Anfang 2014 Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer den pensionierten ehemaligen Salzburger ORF-Direktor Friedrich Urban an und ernennt ihn am Telefon zum Festival-Intendanten „Salzburg 20.16“ – ohne Ausschreibung, ohne Konzept, ohne Budget. Über die Bestellung wird kurz in der Wochenend-Ausgabe der Salzburger Nachrichten vom 15. März 2014 berichtet. Daraufhin hagelt es Kritik, ausgelöst vom aufmerksamen Dachverband, Interessenvertretung von 74 Kulturstätten mit insgesamt rund 1 Million Besuchern, der vergeblich seit Jahren u.a. mehr Transparenz, bessere Strukturförderungen und eine Erhöhung des (freien) Kulturbudgets fordert.

Der Dachverband-Vorsitzende stellt am 16. März in einem offenen Brief dem Landeshauptmann acht kritische Fragen, u.a. nach Idee, Konzept, Organisation, Ausschreibung, Budget und Transparenz von „Salzburg 20.16“ und schließt so: „Garantieren Sie als Landeshauptmann, dass ab sofort und laufend alle Geldflüsse, Entscheidungen etc. für Salzburg 2016 komplett transparent, demokratisch und nachvollziehbar für Salzburgs Bevölkerung und die Öffentlichkeit präsentiert werden?“ Auf die Antwort wartet man in Salzburg noch.

Frühjahr 2014: Kein Intendant – nur „Regisseur“ Bei einem Treffen am 25. März 2014 mit dem Dachverband-Vorstand zeigt der ÖVP-Landeshauptmann Verständnis für die Kritik („Sparen ist nicht alles!“) und verspricht binnen 6 bis 8 Wochen ein Konzept vorzulegen und öffentlich zu präsentieren. Außerdem sei der bestellte 70-jährige Intendant – er sitzt als Vertreter des Tourismusförderfonds im Festspielkuratorium und ist u.a. Vizepräsident der Internationalen Stiftung Mozarteum und Präsident des Rotary-Clubs – laut seiner Definition nur „Regisseur“ der geplanten Events und Aktivitäten und nicht Intendant, wie in der Zeitung stand.

Um was es bei „Salzburg 20.16“ genau gehen soll, weiß im Frühjahr 2014 niemand so recht, die Landesausstellung sei fix, aber es ginge auch um die Zukunft und wenn Geld aus Wien käme, dann würden auch nachhaltige Kulturprojekte gefördert werden. Das Land werde für „Salzburg 20.16“ jedenfalls kein Geld aus dem Kulturbudget nehmen, sondern etwa aus Tourismustöpfen – und bei der Stadt anfragen. Bei einem vom ihm erwünschten Kaffeehaus-Treffen erklärt Friedrich Urban, dass nicht er das Programm mache, sondern die Entscheidungen von einem noch einzuberufenden Beirat getroffen werden würden. Auf die Frage, wer dort vertreten sein soll, lautet die Antwort: „Der Dachverband sicher nicht!“

Sommer - Winter 2014: Mehr Hard- als Software Inzwischen wird vom Land am Waagplatz 1a ein Festival-Büro angemietet, eingerichtet und mittlerweile mit sechs MitarbeiterInnen bestückt. Vom Konzept ist weit und breit noch immer keine Spur, auch das Budget bleibt weiter unbekannt. Der „Regisseur“ der geplanten Veranstaltungen kontaktiert umtriebig ausgewählte Kulturinstitution und mögliche Partner aus verschiedenen Bereichen und bemüht sich, Informationen einzuholen und Programmpunkte zu sammeln. Offiziell ist Urban weder Landesbeamter noch Intendant oder Kulturexperte, ein Auftritt vor dem Landeskulturbeirat erschüttert die Expertinnen und Experten dort. Und die Wochen und Monate vergehen...

Doch die Kritik hat Folgen. Am 11. Dezember 2014 wird vom Land Salzburg die gemeinnützige „Salzburg 20.16 GmbH“ als Dienststelle des Landes gegründet – und wenig überraschend Ing. Friedrich Urban als bestgereihter von sechs Kandidaten zum Geschäftsführer bestellt. Jetzt ist es amtlich. Im Kuratorium führt der Landeshauptmann den Vorsitz, außerdem sitzen dort noch zwei Regierungskollegen von den Grünen und vom Team Stronach sowie je eine Vertreterin aus Bund und Stadt. Kernprojekte sind die – bereits konzipierte und aus Landesmitteln finanzierte – Landesausstellung, die Beschäftigung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Salzburgs sowie „eine möglichst breite regionale Verankerung des Themenjahres“. Vom Konzept fehlt immer noch jede Spur.

Winter - Frühling 2015: Pausenfüller für Millionen 2015 bricht an, noch ein Jahr bis zum Jubiläumsstart. Man erfährt, dass der Bund 4 Millionen Euro für Salzburg locker machen will – Insider sagen: vom ÖVP-Finanzminister abgesegnet und über das Kulturministerium vergeben (das gleichzeitig aus Geldmangel Förderungen einfriert). Vom Land kommt 1 Million – inklusive oder exklusive Büro, Gehälter und gesamte Landesausstellung? Die Frage bleibt im Raum stehen ... Und die Stadt Salzburg schießt 750.000 Euro für die Landesausstellung zu. Insgesamt sind wir nun also bei einem Budget von 5,75 Millionen Euro. Wird das reichen?

Im April 2015 kündigt der Landeshauptmann bei einer Pressekonferenz auf die Journalistenfrage nach den Programmschwerpunkten eine „Reihe von Veranstaltungen querdurch“ an und nennt einen 15-minütigen Neujahrskonzert-Pausenfilm „mit bestem Bildmaterial über Salzburg“ für 60 bis 70 Million TV-Zuschauer, dann den Besuch des Bundespräsidenten und immer wieder die Landesaustellung, jetzt mit Titel: „Bischof. Kaiser. Jedermann. 200 Jahre Salzburg bei Österreich.“ Außerdem wolle man dem Thema der Jugend im ganzen Land gerecht werden.

GmbH-Geschäftsführer Urban spricht von 190 eingegangenen Projekten aus allen Gesellschaftsbereichen, die im Beirat diskutiert, dann genehmigt und schließlich mit bestehenden Institutionen umgesetzt werden. Wann, weiß niemand. Die einen sagen, der Einreichschluss sei längst vorbei, andere reden vom Juni d. J., wieder andere vom Herbst 2015. Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine Homepage, keine Informationsbroschüre, kein inhaltliches Papier, keine Richtlinien, keine Beschreibungen oder Einreichfristen. Nur eines ist jetzt klar: Die Entscheidungen über das Programm trifft weder der Geschäftsführer noch eine Jury bzw. ein Experten-Beirat, sondern das Kuratorium mit mehrheitlich drei Vertretern der Regierungskoalition Schwarz-Grün-Team Stronach unter dem Vorsitz des Landeshauptmanns. „Salzburg 20.16“ ist also Chefsache. Wer macht mit?

Frühling/Sommer 2015: Mehr Ablehnung als Interesse Laut interner Dachverband-Umfrage unter seinen Mitgliedern wollen sich aktuell zehn Kulturstätten an „Salzburg 20.16“ beteiligen, einige überlegen noch bzw. warten ab, die Mehrzahl wurde nie kontaktiert. Eine einzige Kulturstätte hat bisher eine fixe Zusage samt Förderhöhe – nach wessen Entscheidung? –, nur wenige können dem Projekt allgemein etwas Positives abgewinnen. Etliche Kulturschaffende kritisieren mangelnde Transparenz und Konzeptlosigkeit, dem Geschäftsführer der GesmbH „Salzburg 20.16“ wird Inhaltsleere und Substanzlosigkeit attestiert, manche sehen Seilschaften, die bedient werden. Man spricht von verpassten Chancen, dem Versäumnis partizipativer Organisation mit Künstlern und Kulturpartnern, von fehlender Kulturpolitik auf Augenhöhe – und befürchtet, dass es nach dem Salzburger Jubeljahr ein böses Erwachen geben könnte.

Zukunft 1: Böses Erwachen? Tatsächlich ist das nicht von der Hand zu weisen. Der Salzburger Landtag hat nämlich – publiziert im Landesgesetzblatt vom 26. Jänner 2015 – still und heimlich einen Passus im Haushaltsgesetz beschlossen, nachdem die Salzburger Landesregierung zur „Wahrung ausreichender Flexibilität bei der Erstellung der Landesvoranschläge für künftige Haushaltsjahre (...) beim Abschluss mehrjähriger Förderungsverträge (...) unter Bedachtnahme auf eine angemessene Vorlauffrist eine Kürzungsmöglichkeit von mindestens 20 %“ vorsieht – wenn dem nicht zwingende Gründe entgegenstehen. Der Dachverband recherchierte dies im Mai 2015, weder der Landskulturbeirat noch die Stadt Salzburg waren informiert; SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden protestierte ebenso wie der Landeskulturbeirat und der Vorstand des Dachverbands Salzburger Kulturstätten. Ein klärendes Gespräch zwischen Dachverband-Vorstand und Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn wird für 30. Juni 2015 vereinbart. Dann – so wird vermutet – soll eine abgeschwächte Formulierung „für den Notfall“ präsentiert werden, der umstrittene Gesetzespassus wird wohl bleiben.

Zukunft 2: Alles ist paletti – alle sind stolz? Der Eindruck eines politischen Flickwerks entsteht, das trotz oder wegen des Jubeljahres 2016 auf Salzburg negative Auswirkungen haben könnte. Tatsächlich hat das Land seit langem dringenden Reformbedarf – in der Finanz- wie auch in der Kulturpolitik. Der grüne Kulturlandesrat hält sich betreffend „Salzburg 20.16“ auffällig zurück, auch wenn zahlreiche Programm-Beiträge aus der Kunst und Kultur kommen werden. Doch das Geld hat der Landeshauptmann – wie und woher auch immer angesichts der Schulden – frei geschaufelt. Der Landeshauptmann denkt und lenkt. Und der wird alles daran setzen, dass „Salzburg 20.16“ keine Blamage wird und dass kein grober Fehler mehr passiert.

Kritiker des Salzburger Jubeljahres werden ignoriert und/oder attackiert, mediale Hofberichterstattung überwiegt. Die Grünen erhalten ein „Salzburger Zukunftslabor“, Gemeinden werden mit Infrastrukturmaßnahmen und die breite Öffentlichkeit mit Volksfesten und der Landesausstellung zufrieden gestellt. Es wird bunte Bilder geben (untermalt von Schützensalven und Blasmusik) – ganz im Sinne von Landeshauptmann Haslauer, der das Ziel im TV-Interview formuliert hat: „Wenn am Ende herauskommt, dass die Salzburgerinnen und Salzburger stolz sind auf dieses Land (...), dann haben wir mit diesem Jahr eigentlich den Auftrag erfüllt.“ Und 2018 wird (Haslauer wieder) gewählt.

Zukunft 3: Die Überraschung – Salzburg ist liquid Das politische Konzept „Brot und Spiele“ wird aufgehen, seit kurzem gibt es erste Informationen über „Salzburg 20.16“ auf der Homepage des Landes, und der Bund – so ist zu lesen – schießt nun bereits 5 Millionen Euro zu, von der Stadt erwartet man sich wie vom Land 1 Million Euro, man spricht also konkret von einem „Ausgangsbudget“ von 7 Millionen, dazu könnten Sponsorgelder und zusätzliche Landesmittel laut MISSION STATEMENT kommen: „ Für die Umsetzung von wichtigen inhaltlichen Projekten können nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten auch Budgetmittel aus den verschiedenen Ressorts eingesetzt werden.“

Alles ist nur eine Frage des (politischen) Wollens. Das wussten wir schon immer. Und der Landeshauptmann weiß, dass er einen Aufstand vor der nächsten Wahl riskiert, wenn er nach dem Jubeljahr in den Bereichen Bildung, Kunst & Kultur und Soziales kürzt. Er wird sich hüten, oder will er vor 2018 sein Profil als „Sparefroh“ schärfen? Spätestens seit „Salzburg 20.16“ wissen wirklich alle, dass trotz (angeblicher) Krise im schönen Land Salzburg genug Geld da ist.

Alles ist bloß eine Frage der Verteilung und Vergabe – und die wird doch gewiss im Jahr 2017, also vor der nächsten Landtagswahl, vom Landesrechnungshof, den Kontrollorganen von Bund und Stadt etc. durchleuchtet und veröffentlicht werden... Dann wird man erfahren, ob der „Stolz auf Salzburg“ in Summe weniger oder mehr als 10 Millionen Euro gekostet hat.
(Dachverband Salzburger Kulturstätten)

Zum Kommentar Die Macher sind schweigsam, aber rege