Schutzbefohlene

HINTERGRUND / RASSISMUS

19/04/16 Die Störung der Aufführung von Jelineks Stück „Die Schutzbefohlenen“ am vergangegen Donnerstag (13.4.) im Audimax der Wiener Universität durch rund vierzig Angehörige einer rechtsradikalen Gruppe hat nicht jenen Widerhall in der Öffentlichkeit gefunden, den der Anlass eigentlich hätte bekommen müssen.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Produktion, in die Migranten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak eingebunden sind, wurde vor ein paar Monaten mit dem Nestroy-Extrapreis ausgezeichnet. Das Künstlerkollektiv „Die schweigende Mehrheit sagt Ja“ steht hinter der Aufführung unter dem Titel „Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene“, die seit vergangenem September immer wieder gezeigt wird . Regie führten Tina Leisch und Bernhard Dechant.

In einem Statement der ÖH Wien heißt es, dass rund vierzig bis fünfzig Mitglieder der identitären Bewegung in Österreich bei der Aktion beteiligt waren, andere sprechen von zwanzig bis dreißig Störenden – einer erklecklichen Schar jedenfalls. Es kam zu körperlichen Übergriffen auf acht Personen.

Auf diesen Vorfall hat nun das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) regiert und fordert angesichts des Anstiegs an rechtsextremen und rassistischen Straftaten in Österreich einen Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und Rassismus. „Bei den Verantwortlichen müssen jetzt alle Alarmglocken schrillen: Im Sinne des antifaschistischen Auftrages unserer Bundesverfassung sind die Nazi-Methoden wirksam zu bekämpfen“, heißt es in einer Aussendung des Komitees heute Dienstag (19.4.). Innerhalb eines Jahres von 2014 auf 2015 sei die Zahl rechtsextremer und rassistischer Straftaten laut Innenministerium von 750 auf 1.156 gestiegen. „Das erinnert an die Umtriebe der Nazis in den Jahren vor 1938“, sagte MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi.

Die stetige Zunahme der „Hass-Delikte“ habe bereits 2005 begonnen, damals waren es 209 einschlägige Tathandlungen. „Das heißt, dass sich die rechtsextreme Kriminalität in den vergangenen zehn Jahren mehr als verfünffacht hat“, warnt das Mauthausen Komitee. Es gehe dabei nicht nur um Drohung, Verhetzung und NS-Propaganda, sondern auch um Mord, Mordversuch, Brandstiftung, Körperverletzung, Gedenkstättenschändung sowie um Anschläge auf christliche, jüdische und muslimische Gotteshäuser.

Insgesamt sei die Menschenrechtslage in Europa „sehr düster.“ So zitiert die APA Nils Muiznieks, den Menschenrechtsbeauftragten des Europarates. Der große Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern habe die „bereits weitverbreitete Tendenz“ zu antiislamischen Vorurteilen noch verstärkt, heißt es in seinem am Montag (18.4.) in Straßburg veröffentlichten Jahresbericht für 2015.

Verstärkt werde dies in vielen Ländern durch ein Gefühl von „Panik angesichts der scheinbaren Unfähigkeit“ Europas, den Zustrom von Asylbewerbern zu meistern. Die Politiker müssten sich daher die konkrete Frage stellen, so Muiznieks, wie sie „den rechtsextremen populistischen Parteien, die den Zustrom von Flüchtlingen für ihre Zwecke ausschlachten, die Stirne bieten“ sollten.