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Die Fülle des Lebens auf die Bühne

IM PORTRÄT / JULIA GSCHNITZER

20/12/21 Ihre Debütrolle bei den Salzburger Festspielen war dann auch jene ihres offiziellen Bühnenabschieds ein paar Jahre später. Kammerschauspielerin Julia Gschnitzer feiert morgen Dienstag (21.12.) ihren neunzigsten Geburtstag.

Von Reinhard Kriechbaum

Sie hat von 2013 bis 2016 nicht nur dem Jedermann von Cornelius Obonya ins Gewissen geredet. Es waren jene Jahre, in denen die britischen Regisseure Brian Mertes und Julian Crouch die Jedermann-Crew in einer Art Prozession vom Festspielhaus Richtung Domplatz ziehen ließ. Damals hat Julia Gschnitzer in der Rolle von Jedermanns Mutter ein großes Kreuz getragen. Die ist ja bigott, im Gegensatz zum reichen Prasser. Ob dieser Gläubigkeit, so erzählte Julia Gschnitzer in einem Interview, habe sie sich gar nicht so leicht einfinden können in diese Rolle.

Die Identifikation und damit hohe Glaubwürdigkeit – das sind Stärken von Julia Gschnitzer. Als sie 2015 für ihr Lebenswerk mit dem Kulturfonds-Preis der Stadt Salzburg geehrt wurde, hielt Siegbert Stronegger die Laudatio. „Julia Gschnitzer bringt die Fülle des Lebens auf die Bühne, in ihren Figuren rumoren die Widersprüche und Sehnsüchte unserer Existenz. Die rätselhafte Unerschöpflichkeit ihrer Energie ist unser Glück, das Glück des Publikums. Man hat gar nicht den Wunsch, die Kraft und die Wahrhaftigkeit dieser Grande Dame des Theaters zu ergründen, weil es an der Magie ihrer Darstellungskunst ohnedies nichts herumzudeuteln gibt. Ihr Charisma ist die Gnade des besonderen Ausdrucks.“

Im Jahr 2011 feierte Julia Gschnitzer ihr Sechzig-Jahre-Bühnenjubiläum. Da verwundert es nicht, dass sie beispielsweise in Raimunds Der Bauer als Millionär sowohl die Jugend als auch das hohe Alter gespielt hat. Und trotzdem schwingt bei Julia Gschnitzer immer ein juvenil-fröhlicher Ton mit. Sie könne „ unnachahmlich verwundert in die Welt schauen“, schrieb Werner Thuswaldner im DrehPunktKultur 2018 über sie, als sie im Schauspielhaus Salzburg in Ödön von Horvaths Jugendwerk Niemand auftrat. Das war zwei Jahre nach ihrem offiziellen Rückzug von der Bühne – aber wenn Julia Gschnitzer etwas interessierte, griff sie auch danach noch gerne zu.

Julia Gschnitzer wurde in Innsbruck geboren. Schon als Kind soll sie gesagt haben, sie wolle einmal „Spielerin“ werden. Erste Theatererfahrungen sammelte an Jugend- und Laienbühnen in ihrer Heimatstadt, ihr erstes Engagement führte sie 1951 ans Tiroler Landestheater. Kürzere Stationen waren das Stadttheater Biel-Solothurn (1954-1956) und das Stadttheater Bern (1956-1959). Ab 1960 gehörte sie für dreißig Jahre dem Ensemble am Volkstheater Wien an. Von 1990 bis 1995 war sie am Landestheater Salzburg engagiert. Seither ist sie frei tätig und hat „gespielt, wo immer man mich gebraucht hat“.

Gebraucht wurde sie nicht nur für Stücke von Felix Mitterer, mit dem sie eine intensive Zusammenarbeit in Tirol verband. 1989 wurde Gschnitzer in Wien zur Kammerschauspielerin ernannt, aber das hat sie nicht daran gehindert, auch auf kleineren Bühnen und bei Freien Theaterensembles mitzuwirken. So spielte sie im Jahr ihres Sechzig-Jahre-Bühnenjubiläums bei der theater(off)ensive in der TriBühne Lehen. Im Schauspielhaus Salzburg war sie öfters zu Gast, etwa als skurrile Oma im Rollstuhl in der dramatischen Komödie Acht Frauen von Robert Thoma. Sie spielte in Frau Suitner von Karl Schönherr und Josef und Maria von Peter Turrini. „Momente großer Bühnenkunst schenkt Julia Gschnitzer als Magd Eurykleia“ (so in unserer Besprechung) 2015 in Christoph Ransmayr Odysseus, Verbrecher.

Eine Impression aus dem Schauspielhaus Salzburg 2014, in Alois Hotschnigs Absolution: „Für ein wenig Auflockerung im familiären Psycho-Dreikampf sorgt die alte Berta (Julia Gschnitzer), die als gute Seele des Hauses durch die Inszenierung … geistert und die trübe Stimmung schon einmal mit bunten Luftballons aufzuhellen versucht. Geschickt je nach Bedarf zwischen Altersweisheit und Altersdemenz changierend, scheint sie beim bösen Spiel um den lebenden Toten die Strippen in der Hand zu haben.“

Zum Theater kamen Film- und Fernsehrollen sonder Zahl. 1971 wurde sie als Franziska Jägerstätter in dem Film Der Fall Jägerstätter von Axel Corti einem breiten Fernsehpublikum bekannt. Einen gewissen Kultstatus bekam 1995 Die Fernsehsaga – Eine steirische Fernsehgeschichte (Regie: Julian Pölser). Der österreichische Film kam nicht aus ohne Julia Gschnitzer: Die Siebtelbauern (Stefan Ruzowitzky), Im Tal des Schweigens (Peter Sämann) und Zeit der Fische (Steffi Kammermeier). Auch für Xaver Schwarzenbergers Andreas Hofer-Film Die Freiheit des Adlers stand die Vielbeschäftigte vor der Kamera. Für die junge Salzburger Filmemacherin Antoinette Zwirchmayr hat sie Im Schatten der Utopie der Großmutter die Stimme aus dem Off geliehen – der Film lief auf der Biennale.

Seit ihrem endgültigen Rückzug von der Bühne ist sie bei Lesungen umso aktiver. „Julia Gschnitzer als Lesende von (weihnachtlichen) Waggerl-Texten: Das ist eine Kategorie für sich.“ Das schrieben wir vor genau einem Jahr in einer CD-Kritik vom Salzburger Hirtenadvent. Auch dafür ist sich die Kammerschauspielerin nicht zu gut. Bei den Kollegen vom Salzburger Adventsingen stand sie vor ein Jahren auf der Bühne des Großen Festspielhauses.

Bilder: Wikimedia / Matthias Kabel (1); Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese (1), Marco Riebler (1), InfoZ (1)

 

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