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Die Vielfalt der Vielen und des Einzelnen

IM PORTRÄT / ALI SMITH

27/07/22 „Ali Smith bleibt in ihren Romanen und Erzählungen nah an unserer Gegenwart. Und weil Gegenwart ohne Vergangenheit nicht zu haben ist, stattet sie Figuren mit Biografien aus, in denen sich das 20. Jahrhundert spiegelt.“ So die Jury über die Gewinnerin des diesjährigen Staatspreises für Europäische Literatur, Ali Smith.

Die Überreichung dieser Auszeichnung, die vom Bundesministerium für Kunst und Kultur vergeben wird, gehört quasi zur Festspieleröffnungs-Folklore, so wie der Empfang des Bundespräsidenten mit militärischen Ehren. Heute Mittwoch (27.7.) hat ihn die 1962 in Inverness in Schottland geborene und in Cambridge lebende Ali Smith entgegen genommen. Sie hat Theaterstücke, Kurzgeschichten, Essays und vor allem Romane veröffentlicht, die sich durch ein eigenwilliges Spiel mit Form, Zeit und (Geschlechter-)Identität auszeichnen. Sie ist Mitglied der Royal Society of Literature und wurde 2015 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt.

Ihr Roman Beides sein wurde 2014 ausgezeichnet mit dem Costa Novel Award, dem Saltire Society Literary Book of the Year Award, dem Goldsmiths Prize und 2015 mit dem Baileys Women’s Prize for Fiction. Mit Herbst kam die Autorin 2017 zum vierten Mal auf die Shortlist des Man Booker Prize. Ihre Bücher erscheinen in der deutschen Übersetzung von Silvia Morawetz im Luchterhand Verlag. Im April erscheint als Follow-up zum Jahreszeitenzyklus ihr neues Buch mit dem Titel Companion piece.

„Als Menschenkennerin weiß Smith, dass es, um Personen nahe zu kommen, nicht ausreicht, sie auf äußere Lebensstationen festzulegen. Sie stattet sie mit Träumen und Erinnerungen, Fantasien und Gedankenspielen aus“, schreibt die Jury, der aus Salzburg Anton Thuswaldner angehörte. „Ali Smith verfügt über die literarischen Mittel, um empathisch, wütend, ironisch, nüchtern, bisweilen in kühne Fantasien ausgreifend, bisweilen dem realistischen Schreiben verpflichtet, die Vielfalt der Gesellschaft wie die Vielfalt des Einzelnen ins Bild zu rücken.“

Und in der Laudatio sagte Anton Thuswaldner: „In jedem Menschen, tatsächlich in jedem, steckt ein Erzählkern, den es nur heraus zu präparieren gilt, und schon hat Ali Smith eine Geschichte, die es in sich hat. Laue Charaktere kennt sie nicht. Wer sich unauffällig verhält, den Mitmenschen nicht abgeht, wenn er aus deren Nähe verschwindet, wer sich klein macht, um sich der Aufdringlichkeit der Anderen zu entziehen, verfügt doch über ein Innenleben, in dem es tobt und rast. Es bleibt nur unter Verschluss, deshalb bedarf es der Mittel der Literatur, um sich im Gefühls- und Gedankenhaushalt bisweilen recht durchschnittlicher Leute zurechtzufinden. Ali Smith jedenfalls ist im Besitz des Kompasses, der sie im Leben verschwiegener und verschriener Persönlichkeiten zurechtfinden lässt.“

Preisträger in jüngerer Vergangenheit waren László Krasznahorkai (Ungarn, 2021), Drago Jančar (Slowenien, 2020), Michel Houellebecq (Frankreich, 2019) und Zadie Smith (Großbritannien, 2018). Der Österreichische Staatspreises für Europäische Literatur wird seit 1965 vergeben, für das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin beziehungsweise eines europäischen Autors. Die internationale Ausstrahlung muss sich in Übersetzungen niedergeschlagen haben und dnd das Werk auch in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen. Diese Auszeichnung ist derzeit mit 25.000 Euro dotiert. (Bundesministerium für Kunst und Kultur)

Bild: Wikimedia / Tim Duncan (1); HBF/Pusch

 

 

 

 

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