Der genaue Blick auf die eigenen Schätze

IM PORTRÄT / ROSWITHA JUFFINGER

22/11/12 Auch wenn man es nicht glauben will: Bald wird Roswitha Juffinger 65. Ein Alter, in dem Leute gemeinhin in den Ruhestand verabschiedet werden. In neun Tagen ist ihre Zeit in der Salzburger Residenzgalerie um.

Von Reinhard Kriechbaum

Eigentlich werde sie mit ihrem Schreibtisch bloß ein wenig weiter wandern, in die  Universitätsbibliothek, sagt Juffinger im DrehPunktKultur-Gespräch. Sie hat nämlich mit einer Kollegin gemeinsam einen Forschungsauftrag in Sachen Sammlung Czernin (die ja auch den Grundstock der Residenzgalerie-Bestände bildet). Man wird Roswitha Juffinger, auch wenn sie mit einem Umzug nach Wien liebäugelt, weiterhin oft sehen in Salzburg – und auch bei Salzburg-Themen wird die Kunsthistorikerin gewiss mitmischen. Zwischen Czernin und Erzbischof Colloredo bestanden verwandtschaftliche Beziehungen (Onkel/Neffe), Forschen über die weit zerstreute Adelssammlung Czernin berührt also auch immer wieder Salzburg.

27 Jahre lang war Roswitha Juffinger Direktorin der Residenzgalerie. Das ihr liebste Ausstellungsprojekt aus dem von ihr verantworteten Vierteljahrhundert? Da lässt sie sich nicht festnageln. Weil es der Residenzgalerie ja chronisch an Mitteln mangelte, habe sie nie Ausstellungen „einkaufen“ können. Jedes Projekt – es waren exakt 69 Ausstellungen – wurde also von der Pike auf hausintern vorbereitet, von der wissenschaftlichen Basisarbeit bis zum konkreten Raumdesign. „Da wächst einem jedes Projekt gleich sehr ans Herz“, sagt Roswitha Juffinger.

Neid auf Kollegen an Häusern mit mehr Budget? „Überhaupt nicht“, versichert die Direktorin. Sie und ihr Team haben über Jahre und Jahrzehnte die vergleichsweise bescheidenen Bestände nach immer neuen Gesichtspunkten durchforstet, das Augenmerk auf diesen und jenen Aspekt gelenkt. In dieser Zeitspanne hat man mithin die Residenzgalerie-Bilder oft und oft zu Gesicht bekommen und als regelmäßiger Besucher umfassend kennen gelernt. Diese Ausstellungen zeichnete über kunsthistorische Solidität immer wieder ein sinnlicher Zugang aus, der manche geldbedingte Un-Möglichkeit wettmachte.

1985 hat Roswitha Juffinger ein Haus übernommen, das aus genau einem Dienstposten – dem Direktor – bestand. „Als Quotenfrau“ sei sie damals von der Landeskulturabteilung hierher gekommen, sagt sie, „zur rechten Zeit eben am rechten Platz“. Die prompt einsetzende Emanzipation haben ihre politischen Vorgesetzten gelegentlich zu spüren bekommen, nicht zuletzt erst jüngst Museumsreferent LHStv. Wilfried Haslauer. Mit sachlicher Kritik am Museumsrundgang, der die Residenzgalerie ja unmittelbar einbindet, hat Juffinger nämlich nicht hinter dem Berg gehalten.

Was ihre Mitarbeiter schätzen, ist ihr Sinn für Teamwork. Sie war nicht eine, die ihren Namen als Direktorin über die eigentliche Arbeit ihrer Mitarbeiterin geschrieben hat, lobt Erika Oehring, die auch schon seit 19 Jahren im Team ist. „Die jeweilige Kuratorin zeichnete namentlich als Katalogautorin, das ist keineswegs selbstverständlich!“

59 Kataloge sind in der Ära Juffinger heraus gekommen. Seit 1988 wurden zu sämtlichen Objekten Bestandskataloge und Verzeichnisse publiziert, darunter das zweibändige Gesamtverzeichnis der Gemälde (2010). 2007 veröffentlichte das Land die Publikation zu den Ankäufen der Jahre 1942-44. Auch in Sachen Restitutionsforschung hat die Residenzgalerie ihre Hausaufgaben gemacht. Dass man sich schon 1993 dem Dialog zur zeitgenössischen Kunst geöffnet hat, ist auch eine Facette der Museumsarbeit von Roswitha Juffinger. Man war da mit vorne dran in Österreich. Seit 1992 schon gibt es in der Residenzgalerie einen Atelierraum, der aktive Kunstvermittlung möglich macht – als erstes Salzburger Museum hat man so etwas eingerichtet.

Nun ist Roswitha Juffinger also als wissenschaftliche Leiterin mit Ende November weg (das Administrative liegt seit dem Vorjahr ja in den Händen einer GesmbH) – die Nachfolge ist noch im Stadium des Kaffeesudlesens. Mit der Graphik-Schau „GedankenStriche“ hat Juffinger sich als Kennerin Salzburger Bestände selbst ein attraktives Abschiedsgeschenk bereitet. Die Weichen sind vorerst noch von ihr gestellt: Ab 27. April 2013 wird es ein Jubiläumsschau zum neunzigjährigen Bestehen der Residenzgalerie geben. Die Herbst/Winter-Schau 2013/14 wird unter dem Motto „Bilderwelt – Weltbild“ dem Wesen der Allegorie nachspüren.

Bild: dpk-krie
Zur Ausstellungsbesprechung Edelstift und Radiernadel