Von Athen nach Novosibirsk

IM PORTRÄT / TEODOR CURRENTZIS

18/01/13 „Sieht man ihn dirigieren, hat mancher angesichts seiner suggestiven Art, Musik exzentrisch zu verstehen, schon mal die Illusion, der Leibhaftige stehe am Pult.“ Das schrieb die „Süddeutsche“ über den 1972 in Athen geborenen Dirigenten Teodor Currentzis. Bei der Mozartwoche dirigiert er die Wiener Philharmoniker.

Von Heidemarie Klabacher

„Wenn Currentzis, an dessen nervöses Genie bereits größere und deutlich westlichere Häuser als Nowosibirsk glauben (etwa Paris, Zürich, Baden-Baden) auf CD ausgerechnet Mozarts Requiem vorlegt, klingt das ebenso abenteuerlich wie die Info, das Kammerorchester der Nowosibirsker Oper mit dem Namen Musica Aeterna spiele auf historischen Instrumenten und der Kammerchor New Siberian Singers sei so gut wie der Monteverdi Choir aus London. Fassungslosigkeit ist der richtige Begriff, will man das Erstaunen über diese faszinierende Aufnahme beschreiben“, hieß es vor gut eineinhalb Jahren in der hymnischen CD-Kritik in der „Süddeutschen“: „Für Currentzis ist Mozarts Requiem kein philologisches Material, dem man sich mit der Lupe nähert. Er steigt hinein in die erste Kyrie -Fuge, als zapfe er eine Starkstromleitung an, und lässt uns die Zentraltonart d-Moll – Mozarts Farbe des Abgrunds – als Nachbeben des Don Giovanni erkennen.“

Bei der Mozartwoche 2013 dirigiert Teodor Currentzis zwar keineswegs das Mozart-Requiem. Aber die Symphonie C-Dur KV 425 „Linzer“ und das hochdramatische Klavierkonzert c-Moll KV 491 (mit dem Solisten Pierre-Laurent Aimard) sind ebenfalls Schlüsselwerke, an denen das Expertenpublikum der Mozartwoche Dirigentengeister zu erkennen und zu scheiden weiß. Eine Uraufführung hat die Stiftung dem Exzentriker, den es von Arkadien nach Sibirien verschlagen hat, ebenfalls anvertraut: Johannes Maria Staud hat eine Orchesterfassung der Fantasie c-Moll KV 475 geschrieben (also echt Mut bewiesen - aber im Auftrag der Stiftung Mozarteum, also kann man nichts sagen). Das Stück wird jedenfalls beim zweiten Wiener Philharmoniker-Konzert am 30. Jänner unter der Leitung von Teodor Currentzis im Großen Festspielhaus uraufgeführt.

„Selbstdarsteller ersten Ranges aber auch hart arbeitender Visionär“, liest man über den Dirigenten. Perfektionist. Exzentriker sowieso. Gerne auch Missionar. Aber Russe?

Der Grieche wurde zum Russen einfach, indem er 1994 zum Studieren nach Sankt Petersburg ging – zu Ilya Musin. Das ist jener legendäre Pädagoge und Gründer der russischen Dirigierschule, bei dem auch schon Valery Gergiev, Semyon Bychkov, Yuri Temikarnov und Tugan Sokhiev gelernt und dann die musikalische Welt erobert haben. Currentzis verdanke Musin „eine ausdrucksintensive Manier zu dirigieren und die Kunst, die Welt für Augenblicke einzufrieren“, las man in der Frankfurter Rundschau.

Und wie wurde der Mann aus Attika zum Sibiriaken? Teodor Currentzis leitete von 2004 bis 2010 Staatsoper und Orchester von Novosibirsk. Zweimal hat er in dieser Zeit die „Goldene Maske“ erhalten, die höchste Auszeichnung im russischen Theater: einmal für Prokofievs „Cinderella“ und einmal für Mozarts „Figaro“. 2011 erhielt er die „Goldene Maske“ auch für einen Wozzeck am Bolschoi Theater, wo er 2009/10 Conductur in Residence war.

Inzwischen ist Teodor Currentzis von Novosibirsk nach Perm übersiedelt (unter „Mitnahme“ der beiden von ihm gegründeten Ensembles Musica Aeterna und New Siberian Singers). „Nach Perm sind es von Moskau mit der Transsib nur 1436 Kilometer statt 3335 Kilometer nach Nowosibirsk“ rechnete die „Süddeutsche“ nach. Für Salzburgerinnen und Salzburg und für die nach Salzburg gepilgerten Mozartfreunde aus aller Welt sind es am 30. Jänner jedenfalls nur wenige Meter ins Große Festspielhaus – zu einer der voraussichtlich spannendensten Begegnungen der Mozartwoche. Vielleicht durch Matsch und Schlamm, vielleicht auch durch Schnee und Eis – keine Variante wird Teodor Currentzis schrecken.

Mozartwoche 2013
Orchesterkonzert: Mittwoch 30. Jänner, 19.30, Großes Festspielhaus. Wiener Philharmoniker, Teodor Currentzis, Pierre-Laurent Aimard - www.mozarteum.at
Bild: IMG/Anton Zavjyalov