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Wer Angst vor der Kunst hat, soll in der Realität untergehen

IM PORTRÄT / JONATHAN MEESE

15/11/13 „Ich kenne den privaten Jonathan Meese nicht. Der ist langweilig. Ich würde mich für mich nicht interessieren. Ich bin in der Realität ganz unauffällig und gehe niemandem auf die Nerven. Hier nerve ich Sie vielleicht gerade, aber hier bin ich auch dazu eingeladen.“

Von Heidemarie Klabacher

066Johathan Meese machte aus der Presseführung durch seine eigene Ausstellung heute Freitag (15.11.) im Museum der Moderne Möchsberg eine mitreißende Performance.

„Das sind die ersten Bilder, die ich gemalt habe, in dem Bewusstsein, dass ich ein Künstler bin. Ich war auch schon als Baby ein Künstler, aber da habe ich es noch nicht gewusst.“ Irgendwann sei er hineingestolpert, habe Aktkurse auf der Volkshochschule besucht und gar nicht gewusst, dass es so etwas wie „Kunsthochschulen“ gibt. In der Schule hatte er „Kunst“ abgewählt: „Weil ich zu schlecht war.“ Zum 22. Geburtstag habe ihm seine Mutter einen Zeichenblock und Pinsel geschenkt und alsbald war Jonathan Meese Student bei Franz Erhard Walther an der Kunsthochschule in Hamburg: „Allein das Gebäude war für mich ein Märchenschloss. Ich hatte nicht die blasseste Ahnung, was Kunst ist.“ Er habe vor bunt bemalten Wänden Gedichte gelesen, so sei er zur Installation und zur Performance gekommen.

065Im Rahmen der Presseführung zur chronologisch aufgebauten Ausstellung „Jonathan Meese. Malermeese-Meesermaler“ erzählten die Kuratoren etwa, dass in der Studienzeit Meeses wenig Gemälde entstanden seien. „Genau“, sagte der Künstler. Und berichtet im nächsten Augenblick von tausenden Zeichnungen, zehntausenden zwanzigtausenden Seiten Text, die in dieser Zeit aus ihm „herausgeschossen“ seien. „Ich habe mehr produziert, als alle anderen Studenten zusammen.“

Loslegen! Widerstand leisten! Gegenwind erzeugen! Nerven bewahren: Handlungsanleitung für den Künstler. „Man muss nur Nerven bewahren.“ 

067Schaffenskrise? Kennt er nicht. Und für Kollgen, die Angst vor der weißen Leinwand und dem ersten Pinselstrich haben, hat er kein Verständnis. „Für mich ist die Realität ein Problem, aber es ist nie ein Problem für mich, ein Bild herzustellen.“ Mit der Wirklichkeit hat er es überhaupt nicht so: Sie habe in der Kunst überhaupt nichts verloren, betonte Meese bei seiner Solo-Performance im MdM immer wieder. „Es ist ein Wahnsinn, das mit der Realität auf der Bühne. Viele Performer heute sind bloß politische Aktivisten. Schrecklich, wenn wir die Realität abbilden.“ Das lehne er total ab. „Wer Angst vor der Kunst hat, soll in der Realität untergehen.“ Meese legt noch eins drauf: „Wenn ich mit der Realität paktieren würde, würde es ‚Kultur’, keine Kunst.“

Kultur scheint er so wenig zu mögen, wie Realität oder gar die Forderung nach Erlebnis: „Ich will in der Kunst nichts ‚erleben’.“ Wer Kunst betreibe, um sich selbst zu erleben oder gar zu „finden“, sei ein Esoteriker, aber kein Künstler. „Kunst ist eine Distanzhaltungsmaßnahme gegenüber Nicht-Kunst“. Er würde nie ein Publikum befragen, oder als Künstler das Publikum in eine Performance einbinden: Er empfehle jungen Künstlern eher, sich hermetisch abzuriegeln: „Geht nicht zu viel auf Partys oder in Kulturveranstaltungen!“

068Die Person des Künstlers sei nicht nur nicht interessant, sondern überhaupt nicht wichtig: „Ich mache nur meinen Dienst.“ Dienst! Ein weiteres Leitmotiv der mitreißenden Meese’schen live-Performance im MdM. Auch andere seltsame Worte hört man aus Jonathan Meeses Mund, wohltuend politisch unkorrekte Worte: „Drill, Disziplin, Ordnung, Fleiß. Das ist wichtig in der Kunst, dass die Sachen getan werden: Bilder malen, zeichnen – und alles andere wird kommen.“

Gekommen ist für Jonathan Meese etwa der der Ruf nach Bayreuth: Dort wird Meese 2016 „Parsifal“ inszenieren: „Das kam wie ein Blitz. Ich habe mich nicht in Bayreuth beworben. Allein arbeiten, nur der Kunst dienen – und das Unwahrscheinlichste passiert.“ Schon jetzt bereite er sich intensiv auf Bayreuth vor, male er viele Parsifal-Bilder. Ein eigener Saal gilt in der Schau den Figuren des Bühnenweihspiels.

Auch der von ihm hochverehrte Richard Wagner – dessen Porträts sich quasi leitmotivisch durch das Schaffen Meeses ziehen - habe „hermetisch der Kunst gedient“: „Die politischen Dimensionen sind dabei irrelevant. Die Kunst hat gesiegt in Bayreuth.“

069Überhaupt seien Ideologie und Kunst spielerisch zu nehmen: „Kunst ist ein Spiel und Spiel ist ohne Ideologie.“ Um die Ideologielosigkeit der Kunst zu zeigen, sei es am besten, das Ideologischste herzunehmen, was es überhaupt gibt - und etwa Göring als Echse darzustellen: „Evolution ist stärker als Mussolini. Ideologie hat vor der Natur keine Chance.“ Im Saal „Anführer“ läuft Jonathan Meese genauso zur Hochform auf, wie im Saal „Mythologie, Sagen, Legenden“: Da hängt etwa das Monumentalbild „Parteigottheit der Erntezeit: „Dieser Parteichef führt alles ad absurdum. Diese Partei löst sich auf, und darum hat sie Zukunft.“

In diesem Raum hängt aber auch ein frühes Selbstporträt Meeses, mit dem er sich genauso wenig selber darstellen habe wollen, wie später, als er sich mit dem Maler Balthus etwa auf ein Doppelporträt  gehievt hat. Ein ganzer Salon gilt dem Künstler Balthus, dennoch betont Meese: „Ich war nie mit Balthus zusammen, ich habe das alles nicht erlebt. Die Bilder erleben sich selber. Ich mache nur meinen Dienst.“ Überhaupt schmuggelt sich der Maler Jonathan Meese oft selber ins eigene Bild, neben Hitler oder Klytämnestra vielleicht. Das sind beileibe keine „Selbstporträts“. Wie etwa auch das Bild seiner Mutter kein „Porträt“ ist: „Die Mutter ist die totale Ordnung.“ Er „wollte“ sie ebenso wenig, wie die Kunst: „Alles was lebensnotwendig ist, kann man nicht wollen.“ Das Porträt von Frau Meese – das an einen Alien erinnert – sei eine „Hommage an die totale Respektsperson“: „Was sie sagt, ist Gesetz, da kann man höchstens ein wenig quengeln. Wenn sie sagt, wir gehen japanisch essen, gehen wir japanisch essen.“

"Malermeese - Meesermaler. Jonathan Meese", bis 9. März 2014 im MdM Mönchsberg. – www.museumdermoderne.at
Bilder: MdM

 

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