Die italienische Tradition am Leben erhalten

IM PORTRÄT / RICCARDO MUTI

25/08/15 Am kommenden Donnerstag (27.8.) und am 29. August leitet Riccardo Muti konzertante Aufführungen von Verdis früher Oper „Ernani“. An den Pulten: sein Orchestra Giovanile Luigi Cherubini. Der 74jährige Dirigent über Verdis musikalische Personen-Charakteristika und übers Regieführen in der Oper.

Von Anne Zeuner

Bei Verdi müsse „jede einzelne Note voller Gesang“ sein, sagt Riccardo Muti. Der Musik selbst wohne eine Regie inne: In „La Traviata“ etwa, wenn Giorgio Germont die Bühne betritt, höre man sogar den dicken Bauch und die Arroganz seiner Person in der Musik, sagt der Maestro. Dass er in diesem Festspielsommer Verdis Ernani konzertant aufführe, liege in erster Linie daran, dass er keine Zeit hatte, szenisch zu proben.

Mutis Vorstellung eines Operndirigenten: ein Maestro, der nicht nur nicht nur die Verantwortung für das Orchester und die Musik hat, sondern auch bei der Inszenierung mitreden könne. Gerade weil bei Verdi so viele Dinge in der Musik liegen, sei das sehr wichtig für ihn, betont Riccardo Muti. „Heute werden der Dirigent und der Regisseur oft als zwei komplett verschiedene Dinge angesehen“, sagt Muti. „Früher aber war das anders, da war ein Dirigent auch für das verantwortlich, was auf der Bühne passierte, weil es eben nicht voneinander zu trennen ist.“

Oft habe er selbst viele Diskussionen mit Regisseuren geführt, wie man Dinge umsetzen sollte. Er erinnere sich etwa an Glucks „Orfeo ed Euridice“ – Gluck habe eine fröhliche Ouvertüre geschrieben, obwohl die Oper einen tragischen Inhalt habe. „Er hat das gemacht, um dem Publikum Zeit zu geben, die Plätze einzunehmen und den Smalltalk zu beenden“, erklärt Muti. Das sei zu dieser Zeit einfach so Usus gewesen. Dann aber habe Gluck einen Geniestreich gemacht – er leitet die Oper abrupt von C-Dur in c-moll. „Plötzlich ist es wie bei einem Begräbnis.“ Ein Regisseur wollte damals, dass Muti genau dieser Stelle warten solle, bis der Chor auf der Bühne ist. „Aber damit schwächt man die Genialität dieser musikalischen Wendung ab“, sagt Riccardo Muti. Er „hasse“ konservative Inszenierungen – und sei offen für neue Produktionen, sie müssen nur gut gemacht sein und im Einklang mit der Musik funktionieren. Um eine neue Interpretation zu erarbeiten, brauche es einfach Zeit. Seit 1982 beschäftigt sich Riccardo Muti bereits mit „Ernani“, in diesem Jahr hat er die Oper zum ersten Mal dirigiert, an der Mailänder Scala.

Das Werk aus dem Jahr

Ernani, 1844 im Teatro La Fenice in venedig uraufgeführt, sei eine der schwierigsten Opern für einen Sänger, weil die Partien verschiedene Stimmvolumen erfordern. „Setzt man einen Sänger mit einer leichteren Stimme ein, kriegt er Probleme an den Stellen, die ein gewisses Volumen erfordern und umgekehrt“, weiß Muti. Die Titelrolle singt in Salzburg Francesco Meli.

Er habe für Salzburg aber ein „wundervolles Sängerensemble“ gefunden und auch die jungen Musiker des von ihm 2004 gegründeten Orchestra Giovanile Luigi Cherubini seien sehr gut vorbereitet, sagt Muti. Er wolle die Oper in Verdis Sinne aufführen – nichts werde gestrichen, nichts transponiert. Gerade Verdi sei jemand gewesen, der immer mitgeredet habe bei der Auswahl der Sänger und der sogar schon beim Libretto eingegriffen habe, damit alles nach seinen Vorstellungen umgesetzt werde.

Muti debütierte 1971 bei den Salzburger Festspielen und leitete damals Donizettis „Don Pasquale“. „Natürlich habe ich die Wahrheit auch nicht in meiner Tasche, aber ich will versuchen die italienische Tradition am Leben zu erhalten“, sagt Muti selbstbewusst. Er sehe einen Schnitt in der Interpretation italienischer Opern, nachdem Toscanini Italien verlassen habe. „Ich mache mir Sorgen um die Tradition der italienischen Oper.“ Daher habe er in Italien auch eine Akademie eröffnet, in der junge Dirigenten lernen sollen, wie sie eine italienische Oper vorbereiten. (PSF)

„Ernani“ wird am 27.8. um 15 Uhr und am 29. 8. um 21 Uhr im Großes Festspielhaus konzertant zu hören sein – www.salzburgerfestspiele.at
Bild: Salzburger Festspiele / Anne Zeuner