Früher war alles noch weniger Oasch

HINTERGRUND / FILM / ADRIAN GOIGINGER

03/01/24 „Seit vielen Jahren trage ich bereits die Idee mit mir herum, einen Film zu erschaffen, der die Essenz des Austropop einfängt“, sagt der Salzburger Filmemacher Adrian Goiginger. Sein neuer Film Rickerl kommt am 19. Jänner in die österreichischen Kinos – im Salzburger Filmkulturzentrum Das Kino hat er schon zwei Wochen früher, morgen Donnerstag (4.1.) Premiere.

Von Reinhard Kriechbaum

Ansa Woar hieß Voodoo Jürgens' erstes Album – und als Einserware wurde der Film Rickerl – Musik is höchstens a Hobby, der von der Musik und dem Charisma dieses Wiener Singer-Songwriters lebt, auch bei der letzten Viennale gehandelt. „Ich hab mich sofort in Musik, Texte und dieses Gefühl, das drinnen steckt, verliebt“, sagt Adrian Goiginger über Ansa Woar. Zusammen mit Voodoo Jürgens und mit ihm als Hauptdarsteller hat Goiginger das Script entwickelt. „Man kann aber keinesfalls sagen, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, aber vieles, was Voodoo erzählt hat, hat mich inspiriert.“ So manche Anekdote aus dem Leben des Austropopers seien eingeflossen.“

Voodoo Jürgens heißt im Film Erich „Rickerl“ Bohacek. Heruntergekommene Wiener Beisl und Tschocherl sind für ihn Wohnzimmer und Bühne. Dort spielt er im dichten Zigarettenrauch allabendlich für ganz wenig Geld. Statt endlich seine erste eigene Platte aufzunehmen, schlägt sich Rickerl mit Gelegenheitsjobs durch, verdingt er sich als Totengräber und Hochzeitssänger. Sein karges Einkommen reicht nicht einmal für einen Kinobesuch mit seinem sechsjährigen Sohn Dominik, den er über alles liebt. Für Dominik (Ben Winkler) ist das anarchische Boheme-Leben seines Vaters Abenteuer und Anstrengung zugleich. Zumal seine Mutter, Rickerls Ex-Freundin Viki (Agnes Hausmann), gut bürgerlich mit ihrem neuen Freund lebt; einem „gstopften Piefke“ mit Eigenheim und Rollrasen. Rickerl, Freigeist und Chaot zugleich, steht sich immer wieder selbst im Weg. Sei es beim aufrichtigen Versuch, ein guter Vater zu sein oder als Musiker endlich durchzustarten. Erst als er Gefahr läuft, seinen Sohn endgültig zu verlieren, merkt er, dass er nicht länger vor sich selbst davonlaufen kann.

Dass Adrian Goiginger mit Kinderdarstellern toll arbeitet, weiß man ja seit seinem autobiographischen Debütfilm Die beste aller Welten, der über 100.000 Zuschauer in die österreichischen Kinos lockte und es auf über hundert Auszeichnungen bei internationalen Festivals brachte. Spiegelte sich dort das Stadt-Salzburger Milieu, so hört man in Rickerl logischerweise Wiener Urlaut, und der ist so authentisch wie die im Aussterben begriffenen Tschocherln, deren Atmosphäre in dem neuen Film mit viel Akribie eingefangen wurde. „Was das Authentische betrifft, bin ich ein Purist“, versichert Adrian Goiginger glaubhaft.

Nach der Uraufführung bei der Viennale, wo Rickerl mit dem Erste Bank Filmpreis ausgezeichnet wurde, überschlugen sich die Kritiker mit Lob darüber, wie hier Glaubwürdigkeit der Figuren, die gediegene Ausstattung, der echte Dialekt und vor allem natürlich die Musik ineinandergreifen. Adrian Goiginger: „Mein Ziel war es, all die Emotionen zu wecken, die diese Musik nicht nur in mir, sondern auch in unzähligen anderen Menschen hervorruft. Komödie und Tragödie können nebeneinander existieren, und ich habe mir für Rickerl vorgenommen, diese Emotionen in jede erdenkliche Richtung zu erforschen.“

Voodoo Jürgens, mit bürgerlichem Namen David Öllerer, zählt zu den derzeit gefragtesten Austropop-Musikern in Österreich. Nach seiner anfänglichen musikalischen Karriere mit der Garagenrock-Band Die Eternias gelang ihm 2016 sein Durchbruch als Liedermacher mit Dialekttexten voll schwarzem Humor. Mit dabei im Film: der Nino aus Wien - 1987 geboren als Nino Mandl. Er prägt die deutschsprachige Musikszene mit seiner ureigenen Form des Wienerlieds und seinem Hirschstettner Soul. Die Wochenzeitung Falter nannte ihn einmal „Bob Dylan vom Praterstern“.

Die Liederauswahl haben Voodoo Jürgens und Goiginger gemeinsam getroffen. „Ich habe Vorschläge gemacht und Voodoo hat mir sein Feedback gegeben“, berichtet Goiginger. „Für mich war zum Beispiel der Song Ollas nimma deins vom zweiten Album ‘S klane Glücksspiel ein unumgängliches Lied. Vergangenheit ist ein großes Thema in diesem Film. Rickerl lebt ja in der Vergangenheit, hat Freunde, die älter sind als er und in einer anderen Zeit groß geworden sind. Er hat kein Smartphone, er kann im Film so viel rauchen, wie man es in den neunziger Jahren konnte. Wir haben versucht, die Vergangenheit festzuhalten, damit deutlich wird, dass er sich in der Gegenwart unwohl fühlt. In der Stammtischrunde wird einmal angestoßen „auf die Vergangenheit, wo alles noch weniger Oasch war“. Das ist eine Art Leitsatz für die Figur geworden.“

Der Salzburger Filmregisseur Adrian Goiginger ist in nächster Zeit oft zugange, nicht nur bei der Premiere am 4. Jänner im Filmkulturzentrum Das Kino. Gemeinsam mit dem Kinderdarsteller Ben Winkler ist er am 13. Jänner im „Kino“ und im Oval. Am 14. Jänner begleitet ihn Agnes Hausmann, am 8. Februar schließlich Voodoo Jürgens – Zum Trailer www.daskino.at; www.oval.at
Bilder: Filmladen / Das Kino