„Literaturverfilmung“ oder eine ganz eigene Kunst?

FEUILLETON / KINO / AUS DER WELT VON GESTERN

23/02/12 Aschermittwochabend im Salzburger Filmkulturzentrum. Vom Fasten keine Spur, zumindest nicht in cineastischer Hinsicht. Der Kinosaal ist bis zum letzten Platz gefüllt, verzweifelt versuchen noch Leute, Karten zu bekommen.

Von Andreas Öttl

Doch was ist der Anlass für diesen Publikumsandrang? Der neue Dany Boon Schenkelklopfer? Die Premiere eines sensationellen Dokumentarfilms über gefährliche Haushaltsgeräte? Nein, ein „alter“ Film aus dem Jahr 1948 wird gezeigt. Allerdings nicht irgendeiner sondern Max Ophüls’ Meisterwerk „Brief einer Unbekannten“. Über diesen großartigen Film muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Nur so viel: ein feineres, betörenderes und zugleich erschütternderes Melodrama wird es nie wieder geben.

Der Film wurde im Rahmen der monatlich stattfindenden Filmreihe „Aus der Welt von Gestern“ gezeigt, die vom Literaturforum Leselampe organisiert wird. Da werden Literaturverfilmungen von Autoren wie Arthur Schnitzler, Franz Werfel oder – wie im Fall von „Brief einer Unbekannten“ – Stefan Zweig gezeigt. Lob gebührt vor allem Organisator Manfred Mittermayer, der mit seinen überaus profunden Werkeinführungen vor dem Film eine schöne Brücke von Literatur zu Film schlägt.

Dennoch bleibt ein kleiner Wermutstropfen: man wird das Gefühl nicht los, dass ein Film hierzulande vom Publikum allein schon deshalb eine höhere Wertschätzung erfährt, wenn er auf dem Text eines anerkannten – wenn möglich auch noch österreichischen – Autors beruht. Dann ist plötzlich auch das Interesse für die oft verschmähten alten Filme vorhanden.

Sollte man Verfilmungen wie „Brief einer Unbekannten“ oder auch Stanley Kubrick’s Schnitzler-Verfilmung „Eyes Wide Shut“ nicht als vollkommen eigene künstlerische Werke sehen? Schließlich sind es Arbeiten von Regisseuren, die man aufgrund des visionären Genies als „Film-Autoren“ bezeichnen darf. Die Reduzierung auf die Schublade „Literaturverfilmung“ wird hier jedenfalls ihrem künstlerischen Wert nicht vollends gerecht – ist doch die Sprache der Bilder eine andere als jene der Worte...

Der nächte Termin in der  Filmreihe „Aus der Welt von Gestern“: 14. März, Das Kino. Es wird die Franz-Werfel-Verfilmung „Jakobowsky und der Oberst“ (USA 1958) gezeigt. - www.daskino.at
Bild: Literaturhaus Salzburg/Leselampe