Sechzig Sekunden Zeit zum Laufen

DIAGONALE / DESERT KIDS

15/03/16 „Du willst raus und wirst aufgehalten – Dein Kopf bleibt hohl“, klagt ein Teenager. Und ein anderer wünscht sich „einen Moment ruhig sitzen, ohne dass zwei streiten“: Zitate aus Michael Pfeifenbergers Filmdokumentation „Desert Kids“ uraufgeführt dieser Tage bei der „Diagonale“ in Graz.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie berichtet haben bei der Diagonale, dem Festival des österreichischen Films in Graz (8.-13.3.), auch zwei Salzburger Filme kleinere Preise bekommen: Andreas Horvath für „Helmut Berger, Actor“ und Antoinette Zwirchmayr für „Josef – Täterprofil meines Vaters“. Antoinette Zwirchmayr erhielt den Diagonale Preis „Innovatives Kino“, Andreas Horvath für den best geschnittenen Dokumentarfilm.

Insgesamt acht Salzburger Beiträge waren bei der Diagonale zu sehen, heißt es aus dem auch für die Filmförderung zuständigen Büro von Landesrat Heinrich Schellhorn. Rechnet man den vom ORF produzierten Krimi „Drachenjungfrau“ hinzu (die Geschichte von Manfred Baumann spielt in Krmml), sind es neun Filme. Die Produktion „Drachenjungfrau“wurde von der kommerziellen Filmförderung unterstützt.

Auf der Diagonale waren weiters folgende Filmprojekte, die aus Salzburg stammen bzw. von der Kulturabteilung des Landes gefördert wurden, zu sehen: die Kurzfilme „Henry“ von Philipp Fussenegger und Lisa Thalhammer sowie „Die Hochzeit“ von Sebastian Mayr und der Kurzdokumentarfilm „Auf Augenhöhe mit dem Teufel“ von Alexander Naringbauer. Im Bereich Innovatives Kino (Experimentalfilme) wurde auch „A subsequent fulfilment of a prehistoric wish“ von Johannes Gierlinger gezeigt. Im Spezialprogramm der Diagonale 2016 unter dem Motto „Österreich: zum Vergessen“ (Anlass dafür war Kurt Waldheims Wahl zum Bundespräsidenten vor dreißig Jahren) lief der Film „Heidenlöcher“ von Wolfram Paulus.

Der knapp anderthalbstündige Dokumentarfilm „Desert Kids“ von Michael Pfeifenberger wurde uraufgeführt. Seit 15 Jahren sei er von der Wüste Negev im Süden Israels fasziniert, erzählte der Filmemacher. Gaza ist nahe, von dort schießt die Hamas fast täglich Raketen. „Man hört die Sirene – und dann hast du sechzig Sekunden Zeit zum Laufen“. Auch diese Fluchten in Bunker sieht man in dem Film, für den sich Pfeifenberger auf die Fährte von fünf Jugendlichen dort gesetzt hat, arabischstämmigen und jüdischstämmigen. Sajed und Ahmed leben als Halbnomaden und bewachen ihre Ziegenherde. Ihr Muhamad hat in den USA ein Auslandssemester verbracht und bricht wieder dorthin auf, mit dem Segen seines Vaters, der aber auch Hoffnung hat, dass Walid nach Studienabschluss wieder in die Megev zurückkehren wird. Naama lebt mit ihrer Mutter im Kibbuz und setzt sich für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein. Sehr unterschiedlich ausgerichtete Perspektiven in der gleichen, überschaubaren Lebenswelt. Im Dreißig-Kilometer-Umfeld leben all diese Kids. Egal ob Araber oder Juden – sie sind Mitglieder des Staates Israel. Es gelingt auch friedliche Koexistenz, auch wenn Gaza so nahe ist... Verbindend ist die Frage „Wer bestimmt über mein Leben?" Die Antworten sehen in der Beduinensiedlung und im Kibbuz sehr anders aus.

Bilder: www.plancfilm.com
Zu den weiteren Berichten von der Diagonale 2016:
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Österreich eben nicht „zum Vergessen“