Schwarzweiß mit Zwischentönen
DIAGONALE / UNSERE ZEIT WIRD KOMMEN
04/04/25 Rassismus sei „eine Krankheit, die nie wird geheilt werden können, sagt Siaka. Wird er, der Schwarzafrikaner aus Gambia, jemals wirklich ankommen in Österreich? Wird die Beziehung mit der Wienerin Viktoria eine Zukunft haben?
Von Reinhard Kriechbaum
Es gibt Fußangeln noch und noch, aber keinen unmittelbaren Grund zu Pessimismus. Das jedenfalls vermittelt der neue Dokumentarfilm Unsere Zeit wird kommen von Ivette Löcker. Nach der Uraufführung im Berlinale Forum hatte diese berührende Langzeit-Beobachtung eines Paares bei der Diagonale in Graz Österreich-Premiere.
„Hast Glück gehabt mit deiner Frau”, sagt die Großmutter zu dem jungen Mann aus Ghana, der freudig im Garten werkt. Es hat überhaupt den Anschein, dass Viktorias bäuerliche Familie dem dunkelhäutigen Schwiegersohn in spe sehr offen begegnet. Viktoria selbst hat nämlich eine Weile gezögert, ihn ihren Eltern vorzustellen, damit sie „nicht noch ein Problem haben”. Darauf die Mutter: „Schade, da ein Problem zu sehen.”
Ganz so einfach ist’s dann freilich doch nicht. Die Mutter spricht Siaka, den Moslem aus Ghana, darauf an, dass sein Vater vier Frauen gehabt hat. Siaka holt weit aus, erklärt die Liebe des Vaters zur zweiten Frau - die habe er schließlich noch nicht gekannt, als er die erste heiratete. Ein Wunder, dass Viktoria dieser Erklärung mit wenig glücklichem Gesicht folgt?
Ivette Löcker ist eine genaue Menschenbeobachterin. Viktoria und Siaka hat sie zwei Jahre lang begleitet. In Wien, bei Viktorias Familie im ländlichen Niederösterreich, aber auch in Ghana. Dort lässt Siaka in einer Szene plötzlich den Mitteleuropäer raushängen und führt seinen Verwandten im Dorf vor, wie Sauberkeit in einem Kinderzimmer aussehen sollte. Alltägliche Episoden, zusammengeschnitten mit Situationen in denen Vorurteile, aber auch sehr konkrete interkulturelle Unterschiede greifbar werden. Für Siaka hat Familie einen deutlich höheren Stellenwert als für Viktoria, und auch in religiösen Fragen dürfte die Sozialisierung in zwei so unterschiedlichen Kulturkreisen noch manche Klärung notwendig machen.
Was Ivette Löcker strikt vermeidet in solchen Situationen, ist Wertung, gar Verurteilung. Der Film zeichnet sich aus durch einen behutsamen, liebevollen Schnitt. Auch durch behutsam eingesetzten Humor. Siaka beim Teigausrollen in der schicken Designerküche - und dann die farbenfrohe Hochzeit im afrikanischen Dorf: Dass es in einem solchen Spannungsfeld nicht selten zu Missverständnissen kommen kann, ist logisch.
„Hoffentlich passiert es einfach, dass wir gemeinsam durchs Leben gehen, durch alle Hochs und Tiefs”, sagt Viktoria. Und sinnierend: Vielleich gelinge das ihnen beiden besser als anderen jungen Paaren, weil sie viele Unterschiede bereits sehr intensiv und bewusst reflektiert haben.
Was wünscht sich Viktoria, unterdessen schwanger, für ihr Kind? Es wird „hoffentlich auch Mandinga sprechen” und „Gambia soll ihm eine zweite Heimat werden”. Siaka auf die gleiche Frage: „Es soll an Gott glauben.” Keine Priorität für Viktoria.
Bilder: Filmstills / dpk-krie
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