Die Feministin betet gen Mekka

DIAGONALE / DOKUMENTARFILM / BARBARA WALLY

25/03/11 "Es war mir von Anfang an klar, dass ich an diesen Mann nur rankomme, wenn ich seine Religion verinnerliche". Das sagt, gleich im Vorspann des Films, eine, die "lange ohne Religion", als bekennende Atheistin gelebt hat. Und sie spricht von einer wichtigen Erfahrung aus der Religion, dem Islam.

Von Reinhard Kriechbaum

altAber nicht nur das: Barbara Wally, als Leiterin der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst über ein Vierteljahrhundert lang eine der Galionsfiguren im Salzburger Kulturleben, war ja auch eine starke Stimme des Feminismus am Ort. Und ausgerechnet diese Frau konvertierte zum Islam und heiratete im Jemen einen Mann, der bei den Filmaufnahmen für seine Frau das Kopftuch reklamiert. "Mir ist des ja wurscht", murmelt sie in die Kamera, während sie ihren Kopf bedeckt.

Der Salzburger Filmemacher Andreas Horvath und Monika Muskala haben diesen Weg begleitet. Nicht erst jetzt, sondern in der Zeit des Übergangs. Wir sehen in dem Film Barbara Wally im letzten Jahr als Sommerakademie-Leiterin, im Umgang mit der internationalen Künstler-Lehrerschaft und mit den Studenten. Und wir erleben, wie sie die Bürotür auf der Festung zumacht und ihr Gebet gegen Mekka verrichtet. Sie hält den Ramadam auch im Sommerhaus im Donaudelta, obwohl ihr Mann da nicht an ihrer Seite ist: "Das ist eine Selbstverständlichkeit, wenn man in der Diaspora und allein ist."

Islam-Kritiker und -Kritikerinnen werden von diesem Film wohl nicht so gut bedient. Barbara Wally beschreibt ihre Entscheidung und ihr Leben, wie nicht anders zu erwarten, hoch reflektiert. Daheim, in ihrer Dachterrassenwohnung in Lehen, hat sie Bilder von Nancy Spero, Valie Export, Maria Lassnig hängen, "lauter Feministisches", wie sie sagt. "Hier bin ich die Hauptperson, und im Jemen ist er es."

Er: Khaddher, 1969 geboren, war Fahrer auf einer Reise, die Barbara Wally unternommen hat. Ohne zuerst auf sie großen Eindruck zu machen. Ob sie ihm damals schon gefallen hat? Das kann man in diesem Kulturkreis einen Mann nicht fragen, auch die jetzige Ehefrau nicht. Sex vor der Ehe gab es jedenfalls keinen, und für die Ehe war das Konvertieren unabdingbar. Sechs Kinder hat Khadher. Wenn er für ein paar Tage bei seiner Ex-Frau und den Kindern ist, fühlt sie sich "schon ein bisschen eifersüchtig".

Ruhige Einstellungen, die viel vom Alltag hüben und drüben einfangen, stehen schnellen Schnitten gegenüber. Der Betrieb auf der Sommerakademie und Bazar-Szenen im Jemen, zwei Menschen in ihren jeweiligen Welten: eine Menschen- und Kulturbegegnung eigentlich unvorstellbarer Art. Ein wenig vom Mysterium, vom Unerklärlichen einer Liebesbeziehung bleibt bestehen. Die Filmemacher waren nicht zudringlich, vor allem sind sie wohl mit Neugier, aber nicht mit tendenziöser Absicht ans dokumentarische Werk gegangen. Allfällige Versuche - das zeigen einige Szenen - hat Barbara Wally Kraft ihrer starken Persönlichkeit im Keim erstickt.

Aus ihrem Mund haben manche Aussagen doppelten Wert und machen sehr nachdenklich. Etwa wenn sie in einer Szene beim Dominospielen in häuslicher Abgeschiedenheit erklärt, dass sie sehr viel bewirkt hat für Frauen in ihrem langen kulturellen Arbeitsleben. Aber jetzt denkt sie sehr vehement nach über die hedonistische Lebensweise im Abendland. Europa und die USA kommen ihr vor "wie eine geriatrische Anstalgt". Und das sei ein Männerproblem, wie überhaupt die Gender-Betrachtung der Barbara Wally sehr differenziert ausfällt. Auch in vermeintlicher Unterdrückung der Frau im Islam sieht sie eher die Männer als Opfer.

Und wenn sie und Khadher gemeinsam in Salzburg sind? Da kommt der Gebetsruf aus dem Laptop, und man richtet die Teppiche auf der Dachterrasse Richtung Mekka aus. Den Ihren einen Meter weiter hinten.

Der Film ist beim österreichischen Filmfestival "Diagonale" in Graz noch einmal, heute Freitag (25.3.) um 18 Uhr im UCI Annenhof zu sehen. -  www.diagonale.at
Bild: Diagonale