Die heile Welt ist dahin

IM KINO / BLUE VALENTINE

21/02/12 „Blue Valentine“ ist trotz des poetischen Titels und des romantischen Kinoplakats ein denkbar ungeeigneter Film für ein erstes Date – ist er doch die ernüchternde Anatomie einer scheiternden Liebesbeziehung.

Von Andreas Öttl

Die Hoffnung auf ein Happy End wird bald zerstört und die Grundstimmung des Films bleibt negativ. Auch die Bilder sind rau und ungeschönt. Dies ist zwar nicht immer angenehm anzusehen, dafür aber umso ehrlicher.

Der in nicht-chronologischer Weise erzählte Film arbeitet mit Zeitsprüngen. Zutiefst emotionale, beinahe schmerzhafte Szenen wechseln sich mit leichtfüßig inszenierten Momenten aus der Kennenlernphase des Paares ab. Nicht nur auf formaler Ebene wirkt der Film stellenweise etwas unausgegoren, bleibt dabei aber stets authentisch und lässt Freiraum für Interpretationen. Er ist einer jener Filme die ihre Qualität gerade aus der fehlenden Perfektion beziehen.

Der Film scheint auf der Suche nach der Ursache des Scheiterns der Beziehung zu sein ohne diese aber je aufzuspüren. Diese Orientierungslosigkeit beschreibt sehr gut den Seelenzustand der Charaktere und der Sinnkrise, die vielen „Twentysomethings“ nicht fremd ist und die früher oder später kommt sobald die unbeschwerte Jugendzeit vorbei ist. Wobei es genau genommen die Figur der Frau (Cindy/Michelle Williams) ist, die im Mittelpunkt steht. Im Gegensatz zu ihrem Partner Dean (Ryan Gosling) verkörperten Partner hat sie noch Träume. Sie weigert sich, ihre Lebensumstände zu akzeptieren und stellt höhere Ansprüche an ihr Leben, droht aber an ihnen zu zerbrechen. Die männliche Figur ist hingegen die schwache und definiert sich lediglich über die Liebesbeziehung.

Die originelle Erzählweise mag erfrischend sein, zerstört aber immer wieder den Fluss der Geschichte und erschwert mitunter die Identifikation mit den Charakteren. Dass man trotzdem berührt ist, liegt vor allem an den beiden überzeugenden Hauptdarstellern. Ryan Gosling und Michelle Williams beweisen wieder einmal dass sie zu den talentiertesten Schauspielern ihrer Generation zählen. Mit ihrer mal reduzierten, mal intensiven aber nie aufgesetzt wirkenden Darstellung entblößen sie nicht nur ihre Körper. Sie sind absolut glaubwürdig und geben noch dazu ein gutes Paar ab.

Die Krise im Film ist auch in einem größeren Kontext zu sehen. Regisseur Derek Cianfrance wirft auch einen ungefilterten Blick auf das „neue“ krisengeschüttelte Amerika. Ein Land der begrenzten Möglichkeiten, das den Glauben an sich selbst aufgegeben hat. Ryan Goslings Figur trägt zwar noch den stolzen Adler des „Land of the Free“ auf der Brust seines T-Shirts. Sein Stolz – und der seines Landes – ist aber längst gebrochen. Solche Symbole und Andeutungen finden sich einige im Film – und wenn sie auch wie in diesem Fall etwas überdeutlich sind, so spiegeln sie doch den aktuellen Zustand der USA.

Die Entwicklung der Vereinigten Staaten kann man auch anhand des Independent-Kinos der letzten Jahre gut ablesen. Brachte dieses bis vor wenigen Jahren noch hauptsächlich schräge, im schlimmsten Fall melancholisch angehauchte Feel-Good-Komödien mit Figuren aus der Mittelklasse hervor, so dominieren im Moment Feel-Bad-Dramen im Working Class Milieu, die den ins Wanken geratenen amerikanischen Traum in Frage stellen. Und selbst im Hollywood-Kino finden sich nur mehr wenige Filme welche die traditionellen amerikanischen Werte verkörpern. Optimismus war gestern. Und die heile Welt existiert nun nicht einmal mehr im Kino...

„Blue Valentine“ läuft aktuell im "Das Kino" - www.daskino.at
Bilder: Senator Filmverleih