Venus, Thetis – und jetzt noch ein Achilles-Winzling

HINTERGRUND / ARCHÄOLOGIE / NEUMARKT

10/10/17 Sieht so aus, als hätten die Archäologen in Salzburg gerade Hochkonjunktur. Jene, die sich aufs Mittelalter spezialisiert haben, nehmen gerade ein altes Bauernhaus im Lungau auseinander (wir berichteten). Die Antike-Spezialisten buddeln auch. In Neumarkt haben sie einen kleinen Achilles in Bronze zutage gefördert.

„Diese Bronzefigur zeigt, wie eng der Raum nördlich der Alpen mit der griechisch-römischen Kultur und ihren Mythen verbunden war“, erklärt Felix Lang vom Fachbereich Altertumswissenschaften, Klassische und Frühägäische Archäologie an der Universität Salzburg. Anzunehmen sei „ein entsprechender Bildungshintergrund der Besitzerfamilie“. Mit Sicherheit habe sie der lokalen Oberschicht angehört und wichtige politische Ämter in Iuvavum, dem heutigen Salzburg, ausgeübt.

Sieht also so aus, dass man schon damals in der Metropole gearbeitet und ein schmuckes Häuschen auswärts bewohnt hat. Von „Schlafdörfern“ und Speckgürtel rund um die Stadt war damals aber gewiss noch nicht die Rede.

Jedenfalls verlief die römische Reichsstraße zwischen den beiden Municipalstädten Iuvavum (Salzburg) und Ovilava (Wels) durch das Gebiet der heutigen Stadtgemeinde Neumarkt am Wallersee. Das Grabrelief eines Legionärs an der Kirche in Pfongau, ein 1988 entdecktes Büstengefäß, die Statuette „Venus von Pfongau“ (2008) und schließlich die „Nymphe Thetis mit Achill“ (2017) belegen, dass sich hier in der Römerzeit schon ein beachtliches Wirtschaftsleben entwickelt hat.

 

Seit 2008 liefern die Ausgrabungen in Pfongau Einblicke in Neumarkts antike Vergangenheit. Untersucht werden die Reste eines römerzeitlichen Landgutes. Die archäologische Erforschung des römerzeitlichen Gutshofs von Neumarkt-Pfongau ist ein Kooperationsprojekt der Landesarchäologie des Salzburg Museums, des Fachbereichs Altertumswissenschaft der Universität Salzburg, der Stadt Neumarkt und dem Museum Fronfeste. Diese enge, Institutionen übergreifende Zusammenarbeit besteht seit knapp zehn Jahren und bietet detaillierte Rückschlüsse auf das Leben in unserem Land in der Römerzeit. Der römische Gutshof von Neumarkt gilt als die am besten erforschte „villa rustica“ in Österreich.

„Schon für das Jahr 2018 ist eine Ausstellung im Museum Fronfeste Neumarkt zur Präsentation der neuesten Funde und Erkenntnisse vorgesehen“, kündigt Museumsleiterin Ingrid Weydemann an. Man werde von der Geschichte der freigelegten Räume und über das Leben in der Villenanlage in Neumarkt-Pfongau erzählen. „Die Kulturvermittlung für Schülerinnen und Schüler steht für das Grabungs- und Ausstellungsprojekt im Mittelpunkt.“

Im Lauf der aktuellen Grabung wurden erstmals in Pfongau Teile eines der Hauptgebäude der Villenanlage aufgedeckt. In den freigelegten Räumen fanden sich noch Reste einer verkohlten hölzernen Türschwelle und zahlreiche Eisenbeschläge der Türe in Originallage. Aus dem Gebäude stammen zahlreiche weitere Funde, wie Fensterglas oder Toilettegerätschaften.

„Im Umfeld des Bauwerks fand sich eine außergewöhnliche antike Kleinbronze“, so Landesarchäologe Raimund Kastler. „Sie zeigt, wie der kleine Held Achill von seiner Mutter Thetis in den Fluss Styx gehalten wird, um ihn dadurch unverwundbar zu machen. Die rund sechs Zentimeter große Figur war wohl Teil eines Möbelbeschlages.“ Bis jetzt seien keine dreidimensionalen Darstellungen dieser Szene aus der Antike bekannt. „Damit ist die Figur einzigartig.“ Im Bild versinkt der Achill.Winzling in den Wogen der blauen Handschuhe. An der Ferse wird Achill später verwundbar sein... 

Die bereits im 19. Jahrhundert bekannte Fundstelle wurde bei Erschließungsarbeiten im Gewerbegebiet von Neumarkt Pfongau im nordwestlichen Flachgau 1988 wiederentdeckt. Neben Teilen der Wohnbebauung (Badeanlage) kamen bei den Ausgrabungen vor allem Wirtschaftsbauten (Lagerhallen, Gebäude für die Unterbringung von Landarbeitern, Speicher und Remisen) zu Tage. Hinweis auf Gewerbetätigkeit im Bereich des Gutshofs lieferten drei Ziegelbrennöfen für Dachziegel sowie Arbeitsbereiche für Eisenbearbeitung. (Landeskorrespondenz/dpk-krie)

Bild: LMZ / Neumayer