Streithansel trauernd

23. THOMAS-BERNHARD-TAGE ST. VEIT

12/10/17 Thomas Bernhard ein Streithansel. Ein Polemiker? Ist ja was ganz Neues. Besser gesagt: Es gibt immer wieder Neues zu entdecken über einen unserer Heimat größten Söhne. „Neue Perspektiven auf einen streitbaren Autor“ zeigen die Thomas-Bernhard-Tage vom 13. bis 14. Oktober im Seelackenmuseum in St. Veit im Pongau.

Von Heidemarie Klabacher

„Das Bild Thomas Bernhards als streitbarer wie umstrittener Schriftsteller hat die Wahrnehmung seiner Literatur und seiner Person zeitlebens begleitet und nachhaltig geprägt“, sagt Harald Gschwandtner vom Fachbereich Germanistik. Er hat die 23. Thomas-Bernhard-Tage zum Thema „Thomas Bernhard als Polemiker“ konzipiert.

Spätestens mit dem Jahr 1968, in dem Bernhard zwar die Studentenproteste demonstrativ gemieden, aber bei der Verleihung des Österreichischen Staatspreises in Wien mit seiner skandalträchtigen Rede für einen Eklat gesorgt hatte, sei „der Beginn einer ‚zweiten Karriere‘ innerhalb seiner schriftstellerischen Laufbahn anzusetzen“: „Bernhard, dessen erste Lyrik- und Prosabände nur in kleinen Auflagen erschienen waren, reüssierte nun auch und im Besonderen als Polemiker – und geriet damit viel stärker als bisher ins Visier einer größeren medialen Aufmerksamkeit.“

Schon bald ließ sich sein literarisches Werk, so der Wiener Germanist Wendelin Schmidt-Dengler 1986, „nicht mehr ablösen von der Wirkung, die es gehabt hat“. Seine geschickt inszenierten Auftritte und pointierten, oft bewusst pauschalisierenden Äußerungen sorgten zuverlässig für die Erregung öffentlichen Ärgernisses: „Nicht zuletzt deshalb ist sein Name bis heute auch jenen ein Begriff, die nie zu Bernhard-Lesern und -Leserinnen geworden sind“, sagt Harald Gschwandtner. Die Thomas-Bernhard-Tage lägen ihm als Veranstaltungsformat besonders deshalb am Herzen, „weil sie das Ziel haben, Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung für ein breiteres interessiertes Publikum aufzubereiten und dabei außerdem den Schritt aus der Stadt Salzburg hinaus machen - und damit eine sonst mitunter vernachlässigte Aufgabe der Universitäten wahrnehmen“.

Inhaltlich will man heuer also das Bild des Polemikers Bernhard unter die Lupe zu nehmen. „Wir haben Vortragende aus Berlin, Wien und Salzburg dazu eingeladen, Aspekte des Verhältnisses von Polemik und Literatur zu erkunden.“ Gezeigt werden soll, „dass Bernhards Tiraden gegen Politik, Kultur und Gesellschaft nur mit einem erweiterten Blick auf individuelles Leben und literarisches Werk sowie unter Einbeziehung historisch-politischer Kontexte zu beschreiben und zu begreifen sind.“

Die Germanistin Renate Langer wird zeigen, dass in Thomas Bernhards letzten großen Prosatexten, Alte Meister (1985) und Auslöschung (1986), „die provokativen Äußerungen der Figuren eng mit persönlichen Verlust- und Trauererfahrungen verbunden sind“, während Norbert Christian Wolf, Professor für Neuere deutsche Literatur am Fachbereich Germanistik, dem Verhältnis von ‚Dichtung‘ und ‚Wahrheit‘ bei Bernhard nachspüren wird.

Thomas-Bernhard-Tage 2017 - www.seelackenmuseum.at
Bild: Thomas-Bernhard Tage/ Erika Schmied