Magen an Leber: Weniger Fleisch essen!

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04/02/22 Paris Lodrons Magen hatte gute Gründe, sich zu beklagen. Er fühlte sich sehr zu Unrecht gekränkt, machte ihn der Erzbischof doch für sein Unwohlsein verantwortlich. Der Leibarzt des Landesfürsten wusste es besser, aber er trat gegenüber seinem Chef nicht besserwisserisch auf, sondern gab sich diplomatisch.

Von Reinhard Kriechbaum

Hofarzt Antonio dal Colle verfasste also für seinen Promi-Patienten einen Dialog der Nieren, der Leber und des Magens, um Paris Lodron gesundheitsbewusste Ernährung unaufdringlich zu unterjubeln. Zu viel Fleisch, das war's nämlich, was im Magen kochte und die anderen Organe auch nicht kalt ließ.

Dieser Hofarzt Antonio dal Colle hat auch Vorlesungen an der von Paris Lodron 1622, also vor vierhundert Jahren gegründeten Salzburger Universität gehalten. Aber eine medizinische Fakultät, auf deren Einrichtung der Erzbischof drängte, ist doch nur für ultrakurze Zeit und erst viel, viel später zustande gekommen, in der Ära der Erzbischöfe Anton von Harrach und Hieronymus Colloredo. Als es ernst wurde mit der Medizin an der Uni Salzburg, ward diese bald drauf aufgelöst. Das „Anatomiestöckl“ stand dort, wo man jetzt, wenn man mit dem Fahrrad in den Festspielbezirk fährt, seinen Drahtesel parkt.

PLUSpunkte. 400 Jahre Universität heißt eine im Pustet Verlag erschienene Geschichte der Salzburger Universität. Der Autor hat es leider namentlich nicht mal auf den Bucheinband gebracht, und dafür müsste ihn eigentlich der Auftraggeber, die Universität Salzburg, auf Knien um Verzeihung bitten. Christoph Brandhuber, der über die Archivschätze der Universität wacht und sich darin auskennt wie kein anderer, hat nämlich die seltene Fähigkeit, Geschichte so lebendig und griffig darzustellen wie wenige. Kaum eine Seite (es sind deren 447), auf der man nicht auch unterhalten würde.

Es sind die kleinen persönlichen Geschichten, die überraschenden kultur- und geistesgeschichtlichen Querverbindungen, mit denen Brandhuber seine Leserinnen und Leser bei der Stange hält. Man greift also zum Buch, zu dieser Geschichte der Universität Salzburg in der Erwartung, das der Streifzug durch vierhundert Jahre wohl ein klein wenig mühsam werden könnte – und dann will man das Buch gar nicht weglegen ob der vielfältigen und lustvoll aufbereiteten Geschichte(n).

Man stelle sich vor: Als die Universität 1962 wiederbegründet wurde, gab es im Hause einen Telefonanschluss, beim Rektorat. Anfang 1965 gönnte man auch der Theologischen Fakultät den ersten Bakelit-Fernsprecher. Anfang der 1970er Jahre stockte man auf vierzig Amtsleitungen auf, seit 1980 kann man überallhin durchwählen. Vorher waren die Fräuleins bei der Vermittlung gefragt. Damals durfte es im Uni-Bereich ja noch Fräuleins geben, die Telefonzentrale waren sogar ihre Hundert-Prozent-Domäne. Aber die Stelle musste bis 20 Uhr besetzt sein, die abendliche Dunkelheit schien den Verantwortlichen problematisch für die weiblichen Bediensteten. Man drängte auch geschlechter-Parität.

Das einzige Mal wohl in der Universitätsgeschichte (nicht nur in jener Salzburgs), dass man auf mehr Männer drängte. Eher typisch: Nachdem man als Frau im Universitären

Umfeld über die Jahrhunderte eher nur als künftige Hebamme wohlgelitten war, schaffte es eine sehr selbstbewusste Dame an den Katheter: Jeanne de Peyrebère Marquise de Guilloutet gab ab Anfang der 1930er Jahre Französischkurse für angehende Priester. Die erste Uni-Lehrende ausgerechnet an der Theologischen Fakultät! Neunzig Jahre später liegt der Studentinnenanteil an der Universität Salzburg bei sechzig Prozent. Da ist also echt was weitergegangen. Martina Berthold, jetzt Lokalpolitikerin, war übrigens die erste, deren Sponsionsurkunde sie dezidiert als Magistra ausweist. 1993 war's, dass hierorts an der Universität erstmals korrekt urkundlich gegendert wurde.

So ändern sich die Zeiten. Es hat sich ja nicht nur der Name der Universität von Alma Mater Paridiana (so hehr hieß sie bei der Wiederbegründung 1962) in PLUS (das steht für Paris Lodron Universität Salzburg) geändert. Das Aufmascherln ist auch das halbe neu-universitäre Leben, weil sich die Institution schließlich verkaufen und selbst Gelder lukrieren muss. Das kann man in der Themengewichtung im Buch gut ablesen, wenn beispielsweise im Kapitel über Öffentlichkeitsarbeit sämtliche Pressedamen seit Mitte der 1980er Jahre nicht nur namentlich, sondern sogar im Bild vorgestellt werden. Lehrenden der Jetztzeit kommt diese Ehre nur in Ausnahmefällen zu.

Des Autors eigene (Studienzeit-)Erfahrungen spiegeln sich in manch neuerer zeitgeschichtlicher Erfahrung wieder. Den Einsatz von Wolfgang Beilner – der Theologieprofessor auf dem Fahrrad gehörte zum Straßenbild in der Innenstadt – würdigt Christoph Brandhuber beispielsweise mit viel Empathie. Als Rektor hat sich Beilner mit Entschiedenheit und Geschick auf die Seite der Studenten geschlagen.

Christoph Brandhuber: PLUSpunkte. 400 Jahre Universität Salzburg. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2022. 447 Seiten, 40 Euro – www.pustet.at
Bild: dpk-klaba
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