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Laubkegelviertel und Schwemmholzkreis

BUCHBESPRECHUNG / RICHTER / NATURKUNST

12/09/11 Wie ein gefüllter hohler Zahn: Das trifft den Kern, aber nicht die Poesie der Sache. Der vermoderte moosbewachsene Eichenstumpf ist tatsächlich mit Bachkieseln im Durchmesser von bis zu zwanzig Zentimetern „gefüllt“ worden. Aber er hat vom LandArt-Künstler Wolfgang Richter darüber hinaus neues Profil mit spürbarer Oberflächenspannung bekommen.

Von Heidemarie Klabacher

Die Arbeiten Richters - lebendig wie die Natur ringsum - fügen sich in die jeweilige Landschaft so selbstverständlich ein, dass man den Blick erst nachjustieren muss, um es als „Kunstobjekt“ wahrzunehmen. Das gilt sogar für die quasi doppelte Verfremdung bei der Betrachtung der Objekte über die technisch brillanten Fotographien im Buch „NaturKunst. Landart und Natur Intervention“.

Der „Schalenstamm“ besteht aus alter und junger Esche und ebenfalls aus Kieselsteinen: Ein gespaltener Baumstamm ist in gleich große Teile geschnitten, wieder zusammengesetzt und im wieder entstandenen Spalt mit frischem Eschenlaub und Kieselsteinen gefüllt worden. Baumhaus uns Asthaus: einmal Äste und Zweige feinsäuberlich längs und quer gelegt und in Form eines Häuschens gebracht (andere machen so was mit der Heckenschere an Buchsbaum und naltennen es Gartenkunst) und einmal ein Häuschen aus einem verkohlten Eschenstamm herausgeschnitten.

Ebenso handfest wie poetisch sind die Arbeiten Richters mit Geröllsteinen im Gebirge, etwa jene, die anlässlich des Symposions „25 Jahre Nationalpark Berchtesgaden“ auf dem Wimbachgries in Bayern entstanden sind. Besonders faszinierend in ihrem - scheinbar -  totalen Minimalismus: die „horizontale Ebene“, die haarscharf von zwei Seiten eines präzisen aber imaginären Rechtecks aus Steinen umgrenzt wird. Wie eine archaische Wegmarke: das „Steinhaus“.

Nicht so viele LandArt-Projekte finden ihren natürlichen Lebensraum in der Stadt. Umso erstaunlicher, wie selbstverständlich und fröhlich der plastiksackerl-behangene blühende Baum vor der Galerie Eboran in der Ignaz-Harrerstraße (wo früher die Polizei drin war) diesen Frühjahr wirkte. Die Blüten des Mandelbäumchens (Prunus triloba) vollenden die Arbeit Wolfgang Richters. Auf den winterlich dürren Ästen hängen die Plastiksackerl noch traurig, wie vom Wind angeweht. Die blühenden Äste machen sie zu einer Art eigensinnigen Palmbuschen. (Beinah schon ironisch: die Arbeit „Kunstwirtschaft“ mit Silo-Heuballen auf dem Rasen des ehemaligen Fußballfeldes in Lehen).

Von wegen Ostern: Aus länglichen Eisblöcken zwischen denen Fackeln angezündet wurden, bestand heuer Wolfgang Richters Osterfeuer: „Exultet“ war der Titel der Arbeit im Dominikanerhaus in Steyr, die auf faszinierende Art von Verwandlung erzählt. „Exultet“ heißt der große uralte Lobgesang in der Osternacht, mit dem in der Osterkerze das wiederkehrende Licht des Auferstandenen gepriesen wird. Auch das ein faszinierender Aspekt vieler Installationen Wolfgang Richters: Je nach Wissenslage (von Erdzusammensetzung bis zur Zahlenmystik) und persönlichem Hintergrund können die Betrachter Bezüge und Assoziationen auf höchstem Reflexionsniveau einbringen - oder sich einfach an der suggestiven Wirkung freuen.

An der ohnehin schon changierenden Grenze von Natur und Kunst siedeln die Arbeiten Richters etwa in Hellbrunn. Eine der subtilsten Arbeiten: das Profil einer Altarnische im Freien (wohl an der Außenwand der Stiftskirche St. Lambrecht) aus dem Rasen vor dem Portal zum Stiftshof gestochen.

Biographische Notiz zum Schaffensweg Wolfgang Richters aus der Einleitung von Carl Aigner, dem Direktor des Landesmuseum Niederösterreich: Wolfgang Richter begann in den 1970er Jahren seine künstlerische Arbeit zunächst im Bereich Malerei und Linolschnitt. Erst in den späten 1980er und frühen 1990 Jahren wird die Natur ein virulentes Thema seines künstlerischen Selbstverständnisses. Die eigene, sehr naturverbundene Kindheit ist dafür ein wichtiger "Humus", der Anfang der 1990er Jahre zu Auseinandersetzung mit Naturphänomenen führte, die zu Beginn als Linolschnitt realisiert und in der Folge zeichnerisch geführt wurde (so entstand in diesem Zusammenhang unter anderem eine umfangreiche "Brennessel"-Serie). Langsam kristallisierte  sich dabei natur als Grundelement seiner künstlerischen Weiterentwicklung heraus.

Wolfgang Richter: NaturKunst. Landart und Natur Interventionen. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2011. 20 Euro.
Bilder: Wolfgang Richter/www.flickr.com


 

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