Im Gespräch mit einem „Blindschleichling“

BUCHBESPRECHUNG / SCHUTTING / THEATRALISCHES

18/04/12 Julian Schutting schätzt sein Publikum hoch ein. Er setzt voraus, dass die Leserinnen und Leser in der Schule gut aufgepasst haben, wenn von der Antike und der Philosophie die Rede war. Das neue, schmale Bändchen, das nun zu seinem 75. Geburtstag im Otto Müller Verlag erschienen ist, vereint drei Theaterstücke.

Von Werner Thuswaldner

Nein, ausgewachsene Theaterstücke sind es nicht, eher Dramulette. Sie beschäftigen sich mit antiken Stoffen. Aber Schutting ahmt nicht bloß etwas nach, das längst vorhanden ist, sondern treibt mit den Themen seinen Spaß.

Als erstes kommen Dido und Aeneas dran. Das Paar und was es erlebte, haben Vergil und Purcell mit seiner Oper bekannt gemacht. In zehn Gesängen und mit einem hohen Ton, wie ihn die antiken Dichter pflegten, nimmt sich Schutting der Geschichte des Helden aus dem untergegangenen Troja an, der in den Armen der karthagischen Königin das höchste Liebesglück erfährt. Doch erweist er sich auch nur als Abenteurer, der am nächsten Tag zu neuen Ufern aufbricht. Schutting inszeniert ein genussvolles Wechselspiel zwischen Ernst und Ironie.

Das zweite „Stück“ ist ein Dialog zwischen Irene von Athen und ihrem Sohn, Konstantin VI. Irene war die erste Kaiserin von Byzanz. Im Jahr 797 ließ sie ihren Sohn wegen eines Umsturzversuchs blenden. Die Unterhaltung findet unmittelbar vor der brutalen Maßnahme statt. Konstantin ahnt nichts, obwohl Irene unentwegt mit Wörtern wie „blindlings“, „blendend“ und „scharfsichtig“ spielt. Bemerkenswert sind die Wortschöpfungen der Kaiserin. „Blindschleichling“ nennt sie ihren Sohn zwischendurch.

Den dritten Teil bildet mit dem Titel „Ein kleines Abendgastmahl“ eine eigenwillige Variation des berühmten „Gastmahls“ von Platon. Hier erlaubt sich Schutting noch ausgelassener mit der antiken Vorlage umzuspringen. Man merkt es schon an der Liste der Eingeladenen. Wie bei Platon sind Sokrates und Aristoteles dabei, aber auch der Mathematiker und Philosoph Gotthold Frege, „das Küchenmadl“ redet mit, und Ajaxerle, der aus Raimunds „Bauer als Millionär“ hereingeschneit ist, hat auch eine kleine Rolle. Die Unterhaltung ist gleichwohl anspruchsvoll, geht es doch um die philosophische Logik. Etwas, das ist, kann nicht zugleich nicht sein. Und etwas, das eine bestimmte Eigenschaft hat, kann diese nicht zugleich nicht besitzen. Das ist doch sonnenklar. Aus den Beweissätzen lässt sich auch gut ein konkretes Gedicht bauen.

Es ist durchaus vergnüglich, von Julian Schutting hochgeistig an der Nase herumgeführt zu werden.

Julian Schutting: Theatralisches. Otto Müller Verlag, Salzburg und Wien 2012. 67 Seiten, 18 Euro. - www.omvs.at
Bild: Otto Müller Verlag

Julian Schutting ist am Donnerstag, 19. April, 20 Uhr, Gast des PEN-Clubs (Frauenhilfe, Franziskanergasse)