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Literarische Vaterbilder

BESPRECHUNG / SALZ

28/09/12 Versehrt, verschlossen, am Ende des Lebens, aber auch lebensfroh, zärtlich und literarisch versiert: Das neue Themenheft der Salzburger Literaturzeitschrift SALZ zeigt verschiedenste Zugriffe auf Vaterfiguren – und dabei eine Leistungsschau (auto-)biographischen Schreibens.

Von Harald Gschwandtner

Die Autorinnen und Autoren nehmen die Figur des Vaters in ihren Schattierungen zwischen Sehnsuchts- und Angstbild in den Fokus literarischen Schreibens. Oft handelt es sich dabei – so die Herausgeber dieser SALZ-Nummer, Anton Thuswaldner und Hans Weichselbaum – um Formen der „Erinnerungsarbeit, die teilweise ein gespannt-problematisches, manchmal aber auch ein liebevoll-mild gezeichnetes Bild erzeugt“. Die von den Herausgebern gestellte Aufgabe, ein auf keine Textsorte festgelegtes literarisches Statement zum Thema abzugeben, haben viele der Beiträger dazu genutzt, die Lebensspuren der eigenen Väter zu sondieren, ja in den persönlichen Erinnerungen zu schürfen.

Das Ergebnis sind Prosatexte und einige wenige Gedichte von oft großer Eindringlichkeit. Das Verhältnis zum eigenen Vater fordert, so wird hier deutlich, seit jeher zum Schreiben heraus. Sei es, um Ängste und Fremdheit in Worte zu fassen, dem gefürchteten Vaterprinzip literarische Gestalt zu verleihen – fast zwangsläufig denkt man an Franz Kafka. Sei es, um dem geliebten Vater im Erzählen gerecht werden zu wollen, wie es zuletzt Arno Geiger in seinem Roman „Der alte König in seinem Exil“ eindrücklich vorgeführt hat.

Mit Ausnahme der Texte von Irena Brežná und Robert Kleindienst werden in der hier versammelten Prosa die jeweiligen Väter aus der Ich-Perspektive geschildert bei Annika Reich und Andreas Schumacher ist dieses Ich freilich selbst ein Vater). Nicht von ungefähr referiert ein großer Teil der Texte schon im ersten Satz auf „mein(en) Vater“. Die Autorinnen und Autoren dieses Heftes haben auffallend subjektive Zugänge gewählt. Die Erinnerungsbilder und paradigmatischen Szenen einer Vater-Kind-Beziehung sind nur zu deutlich von autobiographischem Material durchsetzt. Vladimir Vertlib etwa weist am Ende ganz explizit auf die lebensweltliche Referenz hin: „Die Geschichte beruht auf einem wahren Erlebnis.“

Dabei finden sich literarische Annäherungen an ganz unterschiedliche Vaterfiguren: abwesende, hilflose, lebenslustige, pedantische, ja auch sterbende Väter werden poetisch umkreist. Emotionale und kommunikative Distanzen sind ebenso beständig präsent wie der Topos jenes Vaters, der dem Sohn oder der Tochter zeitlebens fremd bleibt und die oftmals belastende Vergangenheit auf sich beruhen lassen will.

Wolfgang Hermann berichtet von einer auch körperlichen Distanz, wenn sich der „physische Kontakt“ mit dem Vater stets „auf Händeschütteln beschränkt“ hatte und erst am Sterbebett so etwas wie Zärtlichkeit entstehen kann. Obschon Robert Kleindienst seine „bildliche Annäherung“ dezidiert dem eigenen Vater „mit Dank, seine Kindheit in Worte fassen zu dürfen“, widmet, so sind es freilich durchwegs keine väterlichen Idealbilder, die gezeichnet werden.

Bei Walter Kappacher trifft man auf einen Vater, für den der Zweite Weltkrieg „wohl seine besten Jahre“ bereithält, weil er endlich eine fixe Anstellung mit Dienstwohnung bedeutet. Fritz Popp erzählt in seinem Ausschnitt aus einer im Entstehen begriffenen Prosasammlung von den Herausforderungen der Religion an eine vaterlose Familie und verzahnt dabei die Perspektive eines zehnjährigen Buben geschickt mit der Kritik an jenem weltfremden kirchlichen Moralismus, die man bereits aus seinem letzten Roman „Keine Engel“ (2010) kennt. Monika Helfer, Erwin Einzinger und Christoph W. Müller verknüpfen ihre Texte mit literarischen Traditionsbeständen und Referenzwerken, mit Kafka, Flaubert oder Peter Handke.

Lediglich Christian Lorenz Müller weiß in seiner inzwischen Tradition gewordenen „gesalzen“-Glosse nichts von realen oder fiktiven Vätern zu berichten. Stattdessen entwirft die Skizze einer „Salzburger Stadtchronik“ der Jahre 2020 bis 2024. Zwischen launigem Augenzwinkern und sozialkritischem Ernst wechselnd, packt er dabei aber wohl doch das eine oder andere Klischee zuviel in seinen pessimistischen Zukunftsentwurf, der dadurch an Suggestionskraft einbüßt.

Vielleicht wäre es noch interessant gewesen, wie die jüngste Generation der Schreibenden sich auf dieses Thema eingelassen hätte – mit Doris Wirth hat auch die jüngste Autorin des Heftes die Dreißig schon überschritten. Doch auch so enthält die neue (149.) SALZ-Nummer, deren Illustrationen von Dieter Kleinpeter stammen, ein vielfältiges Panorama literarischer Formen, das zur weiteren Lektüre anregt. Am plastischsten wird die schmerzvolle und schwierige Auseinandersetzung mit dem Vater in den Gedichten von Manfred Chobot, die in ihrer prägnanten Knappheit aus der Fülle prosaischer Zugänge noch einmal hervorstechen.

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