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Wolkensegel zwischen Regenbögen

BUCHBESPRECHUNG/JONKE/GEDICHTE

26/03/10 Gedichte von Gert Jonke? Wo doch ohnehin jeder Satz in seinem Werk ein Gedicht, ja sein ganzes Werk ein einziges Gedicht ist? Tatsächlich haben die Jonke’schen Wellen und Wogen, Flüsse und Ströme, Binnenmeere und Ozeane aus Worten in der Verdichtung auf wenige Zeilen einen ganz besonderen Reiz.

Von Heidemarie Klabacher

IN DIESEM SOMMER
als Du fortgingst
war es so kalt
dass sich der Garten verkühlte


Da braucht es nicht mehr, um den Schmerz eines Abschieds für immer bis ins eigene Herz zu fühlen.  Die ERLÖSUNGSLITANEI sticht einem ein paar Tage vor Ostern natürlich sofort ins Auge:


Jetzt wird alles gut!
Kein Nagel wird mehr fürchten,
dass ihm ein Hammer den Kopf einschlägt,
Denn die Köpfe der Nägel werden nicht rosten,
und die Dornen de Rosen werden uns streicheln.


Als wäre das für sich allein nicht wundersam genug, rührt die Verbindung von „Dornen“ und „Rosen“ natürlich an den Erinnerungsspeicher für Kostbarstes: Ingeborg Bachmanns „Aria I“ ist dort auf Samt gebettet: „Wohin wir uns wenden im Gewitter der Rosen/ist die Nacht von Dornen erhellt...“ Wer diese Saite zum Schwingen bringt, gehört ebenfalls dort abgespeichert.

Und gerne lernt man einzusehen, dass man nicht immer „die Kugelblitze aus dem Mittagslicht zu Schneeballen formen“ kann. Auch begreift man endlich: „Nicht immer ist Winterhitze voll Sommerschlaf“. Man braucht nur das Jonke-Gedicht DICH ENTZIFFERN entziffern.

Bei alle dem bediente sich Gert Jonke in seiner Lyrik bei weitem nicht immer der „kleinen“ Form, oder gar rein klassischer Strophenlieder, womöglich mit Endreim. 

Dass Gert Jonke solche Gedichte gar nicht gemocht hat, erfährt man im Nachwort des Herausgebers Klaus Amann. Auch dass gerade die Begegnung mit einem „ungereimten“ Gedicht von Georg Trakl seinerzeit den fünfzehnjährigen Gert Jonke erstmals für Lyrik entbrennen ließ. Ein Lachanfall des jungen Jonke auf dem Jugendamt („das so ziemlich widerlichste an Menschengesindel“) wird dort ebenfalls geschildert: „Und dann verbot mir dieser sich wohl wie der Kaiser sämtlicher Erziehungsanstalten in Kärnten, wie ein Allmächtiger, sich vorkommende verblödete Oberamtsrat ein für alle Mal das Schreiben von Gedichten und auch deren Veröffentlichung.“ Aber dies nur nebenbei.

Dass sich viele lyrische „Gedichte“ von den nicht weniger lyrischen „Stücken“ Jonkes also auch in der Form kaum unterscheiden, sei nur erwähnt. Es verwundert nicht. „CATALOGUE D’OISSAEU für s.g. Herrn Olivier Messiaen“ ist nur ein Beispiel. Erinnert es doch ganz besonders etwa an „Strandkonzert mit Brandung“, dessen Piecen ebenfalls Komponisten gewidmet sind...

Eine Fundgrube voll von Neuem und zugleich scheinbar lang Vertrautem.

Gert Jonke: Alle Gedichte. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2010. 158 Seiten, 20 Euro.

 

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